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Leutnant klagt gegen das „Soldatenschwein“

Es hängt an der Brühlschen Terrasse vor dem Fenster der Kunsthochschule. Ein Schwein in Menschengestalt. Es bläst sich auf und sackt wieder in sich zusammen. In der Hand eine Deutschlandfahne. Unter dem Schweinekopf trägt es einen grünen Anzug.

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Von Peter Ufer

Es hängt an der Brühlschen Terrasse vor dem Fenster der Kunsthochschule. Ein Schwein in Menschengestalt. Es bläst sich auf und sackt wieder in sich zusammen. In der Hand eine Deutschlandfahne. Unter dem Schweinekopf trägt es einen grünen Anzug.

Für den Leutnant der Luftwaffe Thomas Kischko ist klar: Hier wird ein Soldat der Bundeswehr zum Schwein gemacht. Der 22-Jährige, der in Hoyerswerda geboren wurde und in Dresden lebt, fühlt sich durch die Darstellung des uniformierten Tieres beleidigt. Vor wenigen Wochen zeigte er das Foto, das er von dem Kunstwerk schoss, seinen Kameraden in Holzdorf bei Torgau, wo er derzeit im fliegenden Dienst stationiert ist.

„Auf dem Foto wirkte es so, als würde das Soldatenschwein mit der deutschen Fahne an einem Strick stranguliert“, sagt Thomas Kischko. „Das ging uns eindeutig zu weit, deshalb habe ich die Polizei informiert“, sagt er. Die Polizei war in der Hochschule. Weil aber von dort danach keine Reaktion gekommen sei, habe Kischko den Künstler Klaus Beckmann bei der Staatsanwaltschaft Dresden angezeigt.

Ist das Kunst?

Der 22-jährige Leutnant will wissen, wie tolerant ein Bundeswehrangehöriger gegenüber der Kunst sein muss. „Während in Afghanistan deutsche Soldaten fallen, machen sich hier in Deutschland Menschen über sie lustig. Und das vor einer staatlichen Hochschule. Das kann ich nicht ertragen“, sagt der Leutnant, der seit 2006 bei der Bundeswehr arbeitet und sich für 15 Jahre dazu verpflichtet hat. Gestern traf er auf Vermittlung der Sächsischen Zeitung den Künstler.

Klaus Beckmann kann die Aufregung nicht verstehen. Sein Kunstwerk stellt er zurzeit in der Diplom-ausstellung der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) auf der Brühlschen Terrasse aus. 1975 in einem Dorf in Hessen geboren, lebt Beckmann seit acht Jahren in Dresden, studiert an der HfBK, erhielt vor wenigen Wochen sein Diplom und wird demnächst Meisterschüler. „Was sich da aus dem Fenster hängt ist ein Body, vielleicht ein Schwein, ja. Aber den grünen Anzug könnte vielleicht ein Jäger oder ein Angler tragen. Die deutsche Fahne symbolisiert seine Heimatverbundenheit“, sagt er. Sonst gäbe es von ihm aus nichts zu interpretieren, die Gedanken zu seinem und allen anderen Kunstwerken seien schließlich frei. Im Katalog zur Ausstellung trägt sein Schwein ein Gewehr unter dem Arm und heißt „Endstufeneber“.

Leutnant Thomas Kischko lässt Klaus Beckmann deshalb mit seiner Erklärung nicht davonkommen. Der Schweinskopf sei Symbol vieler antimilitaristischer Bewegungen, beispielsweise der BamM, dem Büro für antimilitaristische Maßnahmen, das schon einige Plakatentwürfe zurücknehmen musste, weil sie volksverhetzend gewesen seien. „Die meisten Kunststudenten sind doch links oder sogar linksradikal“, sagt Kischko. Klaus Beckmann schaut verblüfft. „Ich verstehe die Motivation nicht, die dich treibt“, sagt er zu Thomas Kischko. Warum er das Schwein vor die staatliche Hochschule gehangen habe, will Kischko wissen. „Weil es wasserfest ist“, sagt Beckmann.

Keine militärischen Symbole

Sein betreuender Kunstprofessor Eberhard Bosslet sagt: „Mich wundert die überinterpretierte Selbstidentifikation eines Bundeswehroffiziers mit dieser Figur. Diese Figur trägt keinerlei militärische Hoheitszeichen noch irgendwelche militärspezifische Merkmale.“ Die Figur gehört im Übrigen zu einer Gesamtdarstellung, die sich „Fucklounge“ nennt. Dort stößt ein aufgeschlitzter Riesenhase im rot-weißen Weihnachtsmann-Kostüm in großen Intervallen Vuvuzelatöne aus, eine Daisy-Duck-Puppe hüpft auf einem luftkissenbetriebenen Mechanismus übers Parkett. Aber nur, wenn Beckmann es kurz anstellt. Der Dauerbetrieb wurde ihm wegen zu starker Bodenschwingungen vom Rektor untersagt.

So ist der Leutnant nicht allein mit seinen Angriffen auf die Kunst von Klaus Beckmann. Der nimmt während der Gesprächs mit dem Bundeswehrangehörigen die Sonnenbrille trotz Regens nicht ab. Und der Leutnant will seine Anzeige gegen den Künstler nach dem Gespräch nicht zurückziehen. „Ich traue ihm nicht“, sagt Kischko. Und Beckmann sagt: „Ich hätte eher damit gerechnet, dass Rentner mich verklagen, weil ich die schöne Fassade der Hochschule verschweinert habe. Der junge Mann aber macht mich fassungslos.“