Von Ingolf Reinsch
Bei Lidl kaufen sie jetzt nur noch gelegentlich ein, sagen Roswitha und Klaus Lorenz, die im Bischofswerdaer Stadtteil Süd zu Hause sind. Denn zu anderen Verbrauchermärkten haben sie es inzwischen näher. Vor 20 Jahren hatten sie den Discounter mit dem schrägen I im Logo direkt vors Haus gesetzt bekommen – in einer Sporthalle, die kurzfristig zum Supermarkt umfunktioniert worden war. „Wir haben gern dort eingekauft. Denn es war billig“, sagt das Paar.
Keine Hamsterkäufe
Der Beginn der Supermarkt-Ära in Bischofswerda lässt sich punktgenau festlegen. Am 3. August 1990, 8Uhr, eröffnete Lidl seine Filiale in der Stadt. Es war die erste in der DDR überhaupt. Schon 6Uhr standen Kunden aus der Stadt und dem Umland vor der Tür. Gebietsverkaufsleiter Roland Friedrich hatte bereits einige Tage vorher darauf hingewiesen, dass es „für Hamsterkäufe keine Notwendigkeit“ gebe. Denn nach der Interimslösung Sporthalle wolle die Handelskette eine Fertighalle errichten. Die wurde dann auch schon im September an der Neustädter Straße gebaut, ehe Lidl Mitte der 90er Jahre wenige Meter weiter die für diesen Discounter typische grau-blaue Einkaufshalle errichten ließ.
Die Bischofswerdaer waren beim Einzelhandel Anfang der 90er Jahre fixer als andere Kommunen. Hubertus Wolf, damals Leiter des Gewerbeamtes: „Vertreter ostsächsischer Städte waren Mitte Juni 1990 nach Eggoldsheim in Franken eingeladen. Dort führte uns der Expansionsleiter für Osteuropa durch das Hauptlager. Ich habe ihm gesagt, dass Lidl in Bischofswerda sehr schnell eine Filiale eröffnen könne.“ Schon wenig später waren die Franken an der Wesenitz, wohl auch motiviert vom Wettlauf der Billigketten um Marktanteile. Denn auch Norma, Aldi & Co. waren auf dem Sprung nach Osten.
Geduldiges Warten
150 Einkaufswagen und fünf Kassen hatte der Markt in der Sporthalle. Die Kunden standen Schlange – und trugen’s mit Gelassenheit. „Heute wird schon mancher unruhig, wenn an der Kasse drei Kunden vor ihm stehen“, sagt Nicole Mitzscherling, die in einem Bischofswerdaer Supermarkt kassiert.
Inzwischen hat Bischofswerda acht Supermärkte, fast alles Discounter. Der einzige Vollsortimenter ist Rewe XL im Norden der Stadt. Vielen Bischofswerdaern ist das zu wenig, und sie wünschen sich ein Einkaufszentrum mit einem weiteren Vollsortimenter am Rand der Innenstadt. Dafür gibt es einen Investor, der bauen möchte, Pläne und ein Grundstück. Der Streit, ob Bischofswerda einen weiteren Großmarkt braucht, spaltet die Stadt. Von der Geschlossenheit der letzten sozialistischen Wartegemeinschaft vor der Sporthalle ist 20Jahre später nichts mehr zu spüren. Was freilich kein Nachteil ist.
Auf ein Wort