Von Manuela Reuß
Unter die ersten zehn wollte es Linda Schreier schaffen. Mit diesem Ziel startete sie im März in die Rennsaison. Nun, nach dem letzten Rennen am Sonntag, steht sie ganz an der Spitze, holte den Titel: Deutsche Kart-meisterin in der Klasse TAG 125 ccm. Die männliche Konkurrenz – 17 Kerle an der Zahl – hatten das Nachsehen. Linda fuhr ihnen davon. Vom ersten Rennen an.
„Das war ein richtig turbulentes Rennjahr“, resümiert Papa Andreas. Mit technischen Schwierigkeiten, Motorproblemen, Abgabe der Führungsposition und Aufholjagd. Seine Tochter, die als Siebenjährige bereits hinter einem Kart-Lenkrad saß, ist zwar ein alter Hase in Sachen Motorsport und als zweimalige Sachsenmeisterin erfolgreich dazu, aber diesmal war für sie alles neu. Neues Fahrwerk, neuer Motor, neues Chassi, neue Klasse. „Bei den ersten Rennen hatte ich noch ein komisches Gefühl im Bauch“, erinnert sich die Sportlerin. Aber dann habe sie sich einfach nur noch reingesetzt und sei gefahren. Der Motor in ihrem neuen Kart ist ein Zweitakter, kleiner und schneller als im Vorgängerauto. Auf 180 km/h kann es der kleine weiß-blaue Flitzer mit dem Tweety vorn dran schon bringen. Auf einer Geraden wohlgemeint. Allerdings gibt es davon nicht allzu viele auf den Rennstrecken. „Die längste hat gerade mal 500 Meter“, weiß Andreas Schreier. Die engste Piste ist in Hagenwerder zu finden, die schönsten seien in Lohsa und Ceska Lipa, findet Linda.
Dass Trickfilmheld Tweety Lindas Kart ziert ist eine Hommage an ihre Schwester Anke, denn die sponsert Lindas Sport – genauso wie die Firma Basic aus Chemnitz. Sponsoren zu finden sei ein Problem, obwohl Linda so erfolgreich ist. Die Erklärung liegt für Schreier auf der Hand: „Weil sie ein Mädchen ist.“ Anke sei vernarrt in den kleinen gelben Vogel. Deshalb gehen Linda und ihr Team – zu dem noch ihr Papa und Schrauber Ingolf, Inge genannt, gehören – auch als Tweety-Racing Team an den Start. Denn fahrerisches Können ist nur die eine Seite. Ein tüchtiger Mechaniker gehört genauso dazu. „Inge ist früher selbst gefahren. Der ist richtig gut“, lobt die 19-jährige angehende Ergotherapeutin.
17 junge Männer als Gegner
18 Rennfahrer nahmen im März den Kampf um den Meistertitel auf. 17 junge Männer und Linda. Die Pulsnitzerin ist ein Exot im Kartsport. Außer ihr gibt es nur noch eine weibliche Fahrerin. „Aber die ist erst 8 oder 9 Jahre alt und fährt bei den Bambinis“, berichtet Linda. Dass sie auch als Frau ein ernst zu nehmender Gegner ist, bewies sie gleich zu Saisonbeginn. Sie gewann die ersten drei Rennen. Erst beim fünften Rennen knöpfte ihr Lucas Mehrfurt aus Lohsa die Führung ab. Doch schon ein Rennen später holte sie sich den ersten Platz in der Wertung zurück. Ausgerechnet in Lohsa, auf Lucas Heimstrecke. „Wir hatten nicht damit gerechnet, dass er zu Hause so schlecht fährt“, erinnert sich Andreas Schreier.
Mit neun Punkten Vorsprung startete Linda ins letzte Rennen. „Das hätte schief gehen können“, weiß der Papa. Denn sein Töchterlein war stark erkältet. Im ersten Rennen bekam sie Probleme mit den Rippen. „Ich hatte solche Schmerzen, da bin ich das Rennen einfach nur noch zu Ende gefahren.“ Kein Wunder. Ein Kart hat keine Federung – die Fahrer sitzen gerade mal eine Handbreit über der Fahrbahn. Schon für einen Gesunden eine ziemliche Belastung.
„Wer schon mal durch ein Schlagloch gefahren ist, kann sich vorstellen, wie das in einem ungefederten Fahrzeug sein muss.“ Den Unterschied zwischen Auto und Kart spürt Linda nach jedem Rennwochenende, wenn sie mit ihrem Ford in die Schule fährt. „Das ist immer eine Umstellung. Beim Kart reagiert die Lenkung sofort.“ Am Ende blieb vom Vorsprung nur ein Punkt übrig. Egal. Für den Meistertitel reichte es.