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Loklegende auf Abstellgleis

Lokfest. Die weltweit schnellste Dampflok steht illegal in einem Betriebs-Schuppen in Nossen – Höhepunkt eines Streits mit der Deutschen Bahn.

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Von Claudia Parton

Über 25 Meter lang ist er, der „Drachen aus Stahl“, allein die feuerroten Räder sind 2,30 Meter hoch. Es scheint unmöglich, die schnellste noch betriebsfähige Dampflokomotive der Welt einfach verschwinden zu lassen. Doch nun steht sie illegal in Nossen in einem Schuppen am Bahnhof, aus Halle in Sachsen-Anhalt förmlich verschleppt von ihrem eigenen Besitzer – und soll ins Ausland verkauft werden. Die Fans toben, der Besitzer Christian Goldschagg zuckt mit den Achseln: „Für meine Pläne hat sie im Moment noch nicht einmal Schrottwert.“

Es scheitert am Personal

Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Streites mit der Deutschen Bahn, von welcher Goldschagg die so genannte Lok 18 201 vor knapp einem Jahr übernommen hat. Mit seiner Firma Dampf-Plus wollte der Münchener die Legende aus Halle für gut zahlende Passagiere durch Deutschland und Europa fahren lassen. Verkaufs-Bedingung sei aber gewesen, dass auf der Lok nur das Stammpersonal der Bahn fahre, so Goldschagg. Eine Regelung, die er nicht abschlagen konnte: „Es gibt in Deutschland nur noch fünf Experten, die auf der Lok fahren könnten. Vier davon sind bei der Bahn angestellt.“

Doch im Mai vergangenen Jahres habe das Unternehmen urplötzlich einen Rückzieher gemacht: Auf einmal habe er gesagt bekommen, dass die Bahn ihm als Konkurrenten keine Lokführer mehr zur Verfügung stellt. Damit hat sich das Geschäftskonzept von Goldschagg erledigt. „Im Moment steht die Lok nur im Schuppen. Ich kann nichts tun.“

Nach eigenen Angaben hat der Besitzer rund 600 000 Euro dafür ausgegeben, die „Rote Lok“ zu restaurieren – in der Annahme, dass das Geld über die Fahrten wieder hereinkommen würde. Von dieser Hoffnung hat der Münchener sich verabschiedet. Sieben Ordner würde der Schriftverkehr mit der Bahn mittlerweile umfassen, ohne Ergebnis. Im September vergangenen Jahres platzte Goldschagg schließlich der Kragen. Der fünfte der möglichen Fahrer, ein Lokführer im Ruhestand, brachte die 18 201 aus dem Bahnbetriebswerk Halle nach Nossen, wo die Interessengemeinschaft Dampflok einen Platz in ihrem Lokschuppen anbot. Doch wie Goldschagg seit einigen Tagen weiß, hat er damit seinen eigenen Besitz regelrecht verschleppt: Die Behörden in Sachsen-Anhalt teilten ihm mit, dass die 18 201 seit Jahren unter Denkmalschutz steht und damit in Halle bleiben müsste. Nach eigenen Angaben hat Goldschagg davon nichts gewusst, als er die Lok übernahm. Freiwillig auf das Bahngelände zurückbringen, will er sie vorerst trotzdem nicht. Er wartet nun auf den Bescheid der Denkmalschützer, der ihn dazu zwingen würde.

Die Interessengemeinschaft in Nossen will sich offiziell nicht zu dem Zankapfel in ihrem Lokschuppen äußern. Viele der Mitglieder sind bei der Bahn angestellt. Dass es Protest geben könnte, wenn die Denkmalschützer aus Halle die „Rote Lok“ zurückfordern, gilt daher als unwahrscheinlich.

So oder so – irgendwann wird die „Superlok“, wie sie in Fachkreisen heißt, Nossen ohnehin verlassen. Goldschagg will die Dampf-Legende nun verkaufen. Nach eigenen Angaben gibt es zwei Interessenten, einen aus Liechtenstein, einen zweiten aus den USA. Sein Anwalt prüfe, ob er die Denkmalschutz-Klauseln umgehen könnte.

Mit diesen Plänen bringt er allerdings die Fans alter Dampflokomotiven deutschlandweit gegen sich auf. In den Fachforen im Internet wettern sie über den „Skandal“ und werfen dem Besitzer Blauäugigkeit vor. Dass die Bahn kein Personal für die private Konkurrenz zur Verfügung stellt, sei bekannt und der Streit vorhersehbar gewesen, heißt es dort.

Deutsches Unikat nach Texas?

Rund 1 000 Menschen nutzten am Wochenende die Möglichkeit, auf dem Lokfest in Nossen die „Rote Lok“ bis in den kleinsten Winkel zu fotografieren - bevor sie möglicherweise für immer verschwindet. Es ist für viele der Fans das Katastrophenszenario schlechthin, dass die 18 201 als eine Art Spielzeug auf der Ranch eines exzentrischen Texaners enden könnte. „Die Lok ist ein Unikat. Sie hat hunderttausende Fans und muss in Deutschland bleiben“, sagt der Modellbauer Klaus Leistner aus Greifswald.

Doch Goldschagg ist fest entschlossen, die Lok zu verkaufen. Seine Firma hat er zum Jahresende aufgelöst. Das sei unumkehrbar, sagt er. Auf vier Millionen Euro schätzt er seinen Schaden bisher.