Von Jürgen Müller
Stolz verkündete Lommatzsch 1994, dass die Stadt ein Sanierungsgebiet bekommt. De Innenstadtbereich wurde seitdem mit viel Geld vom Bund – so zwischen 16 und 18 Millionen Euro – auf Vordermann gebracht. Straßen und Fußwege gebaut, Straßenbeleuchtung erneuert, das Museum saniert, die Kirche auch. Was damals niemand sagte: Die privaten Grundstückseigentümer müssen dafür im Nachhinein zahlen. Jetzt kommt die Rechnung. Alle Eigentümer, deren Grundstücke sich im Sanierungsgebiet (siehe Karte) befinden, werden dafür zu Kasse gebeten.

Vorteil für beide Seiten
Sie müssen Ausgleichsbeträge zahlen, also Geld dafür, dass der Wert ihres Grundstücks durch die Sanierungsarbeiten im öffentlichen Bereich gestiegen ist. Jedenfalls auf dem Papier. Denn praktisch haben die Eigentümer davon nichts, es sei denn, sie wollen ihr Grundstück verkaufen.
Rechtsgrundlage ist ein entsprechender Paragraf im Baugesetzbuch. Demnach ist von den Eigentümern ein Ausgleich für den durch den Einsatz von öffentlichen Fördermitteln gestiegenen Bodenwert zu entrichten. Der berechnet sich durch den Unterschied zwischen dem Bodenwert, den das Grundstück hätte, wenn keine Sanierung durchgeführt worden wäre, und dem Bodenwert, den das Grundstück nach Abschluss der Sanierungsarbeiten hat. Ermittelt hat diese Bodenwertsteigerung der Gutachterausschuss des Landkreises. Und der kommt auf Wertsteigerungen – abhängig von der Lage und den Investitionen – zwischen 1,34 und 1,70 Euro je Quadratmeter. Bei einem 350 Quadratmeter großen Grundstück sind bei einer Bodenwertsteigerung von 1,70 Euro je Quadratmeter also 595 Euro zu zahlen, rechnet Anja Klemichen von der Stadtverwaltung vor.
Unberücksichtigt bleiben bei der Wertsteigerung konjunkturelle Einflüsse, also die generelle Entwicklung der Bodenpreise. Die dürfte in Lommatzsch seit 1994 stark rückläufig sein, die Preise sind gefallen. Fällig ist das Geld erst im Jahr 2018, wenn die Sanierung des Gebietes vollständig abgeschlossen ist. Aber: Zahlen die Eigentümer eher, bekommen sie 20 Prozent „Rabatt“. Der Grund ist einfach: Werden die Ausgleichsbeträge 2018 gezahlt, müssen zwei Drittel des Geldes an Land und Bund abgeführt werden. Bei sofortiger Zahlung kann die Stadt Lommatzsch dagegen das gesamte Geld behalten, muss es allerdings komplett für die noch nicht abgeschlossene Sanierung einsetzen. „Es haben also beide Seiten einen Vorteil. Die Eigentümer spart ein Fünftel der Kosten, die Stadt kann das Geld für die Sanierung des Marktes nutzen“, so Anja Klemichen. Würden alle Eigentümer vorfristig zahlen, könnte die Stadt so zwischen 100 000 und 120 000 Euro einnehmen. Bei Zahlung im Jahre 2018 blieben etwa 40 000 Euro für Lommatzsch übrig, der große Rest ginge an Land und Bund.
Kein Spielraum für die Stadt
Betroffen sind rund 350 Grundstückseigentümer in der Stadt Lommatzsch. Sie werden in den kommenden Tagen Post von der Verwaltung erhalten. In den Briefen werden auch die genauen Summen mitgeteilt. Wer bis zum 30. September in der Stadtverwaltung einen schriftlichen Antrag auf Ablösung des Ausgleichbetrages vorlegt, bekommt den Nachlass eingeräumt.
Das Geld muss innerhalb von drei Monaten, also bis Jahresende, gezahlt werden. „Wer sich beraten lassen will, kann das selbstverständlich in der Stadtverwaltung tun“, sagt Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP). Sie verweist darauf, dass es sich bei den Ausgleichsbeträgen um ein Bundesgesetz handelt. „Die Stadt muss das Geld einziehen, wir haben keinerlei Spielraum“, sagt sie.