Von Andreas Kirschke
Sorbisch ist etwas Ganzes. Da ist die Tracht, da sind die Lieder, die Bräuche, die Feste, der Glaube – und die Sprache. Angelika Balzke ist seit 33 Jahren Erzieherin und setzt sich vor allem für die Sprache ein, weil mit der alles zusammenhängt.
Balzke arbeitet beim sorbisch-deutschen Sprachförderkonzept des Kindergartens Trebendorf. „Kinder lernen sorbische Lieder, Tänze und Reime. Sie werden mit sorbischen Bilderbüchern, Sagen, Bräuchen und Traditionen vertraut gemacht“, erläutert die Pädagogin – und die Erwachsenen seien ihre Vorbilder. Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist ein Problem. Denn die Generation zwischen den Alten und den Jungen hat das Sorbische nicht so ernsthaft verfolgt, wie es nötig gewesen wäre.
Von elf Schulanfängern aus dem Kindergarten lernen jetzt fünf in der Grundschule Schleife weiter sorbisch nach dem Konzept „2plus“. 2006 waren es vier, im Jahr 2005 sogar acht und im Jahr davor vier aus Trebendorf. Eng kooperiert der Kindergarten mit der Grundschule Schleife und dem Witaj-Kindergarten „Milenka“ Rohne.
Suche Muttersprachler
Dem persönlichen Engagement sind aber Grenzen gesetzt. „Die Domowina kann uns unterstützen – indem sie uns einen kompetenten Muttersprachler vermittelt“, sagt Heike Eckert, Sorbisch-Lehrerin in der Grundschule. Vor allem in Fragen der Grammatik, der Umgangs- und Alltagssprache wäre dies für sie und ihre Kolleginnen hilfreich. Unbedingt müsse der Anschluss ans Gymnasium abgesichert sein – etwa durch Sorbisch-Sprachleher im Gymnasium Weißwasser. „Es wäre nötig, um die Sprache perspektivisch weiterleben zu lassen.“
Jan Nuck, Vorsitzender der Domowina, hält die Variante für wenig effektiv. Die Zahl der Sorbisch-Schüler in Weißwasser wäre seines Erachtens sehr gering. „Ich bin eher für eine günstige Busverbindung nach Bautzen ans dortige Sorbische Gymnasium“, sagt er. „Ich kann mir zum Beispiel gut einen Kooperationsvertrag zwischen Gymnasium und Grundschule Schleife vorstellen.“
Über Jahrhunderte prägte die sorbische Sprache in Trebendorf und Mühlrose den Alltag. 1924 sprach Rektor Robert Pohl im Heimatbuch des Kreises von 100 Prozent Sorben in Trebendorf. Anfang der 60er Jahre kamen noch mehr als 80 Bäuerinnen zu den Versammlungen in sorbischer Tracht. 1989 gab es 34 Trachtenträgerinnen, 1998 noch 16, heute nur noch fünf. „Geblieben sind uns von den guten Seiten des Sorbentums der sprich-wörtliche Fleiß, die Sparsamkeit und die Ordnung und der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft“, zitiert Angelika Balzke vor dem Domowina-Bundesvorstand die Worte von Bürgermeister Peter Mäkelburg zur 625-Jahr-Feier Trebendorfs. Auch Mühlrose prägen slawische Wurzeln. „Bis 1930 war es ein rein sorbisches Walddorf“, sagt Ortschronist Wolfgang Martin. „Als der Lehrer Reinhard Rentsch 1926 aus Bunzlau hierher kam, gab es keinen Schüler, der deutsch konnte.“ Das hat sich geändert. Mit dem Braunkohle-Tagebau Nochten, Kraftwerk Boxberg sowie Glas- und Keramik-industrie in Weißwasser zogen Fremde in den Ort.
„Es war dann fast ein Zwang, nur deutsch zu reden“, erzählt Reinhild Martin, Wirtin des Gasthauses „Zur Erholung“. Heute sprechen im Ort höchstens noch die über 70- und über 80-Jährigen sorbisch. Marie Marusch (94) und Tochter Liesbeth Fabian etwa. „Von den Jugendlichen kann kaum jemand die Sprache“, so die Gastwirtin.
Mit offenen Armen
Eine Revitalisierung der Sprache, so Manfred Hermasch, kann nur von unten, mit eigenen Kräften gelingen. Der Domowina-Sprecher der Region hofft, dass der Samen der Sprache eines Tages aufgeht. „Wir geben sie ja weiter – sowohl an Sorben als auch an Deutsche.“ Er hoffe, dass sich eines Tages wieder mehr Menschen als Sorben bekennen. Dass sie vielleicht als Sorbisch-Lehrer an die Grund- oder Mittelschule Schleife zurückkehren. „Wer das versucht, der hat auch die Unterstützung in der Region“, sagt Hermasch mit fester Stimme.