Von Jan Lange
Wenn Ingrid Weidner etwas Modisches für einen festlichen Anlass braucht, dann muss sie nicht lange in ihrem Kleiderschrank suchen. Das Strickjäckchen mit den Raglanärmeln kommt dann meist zum Einsatz. Immerhin 34 Jahre ist das „gute Stück“ bereits alt. Altmodisch sei es deshalb noch lange nicht, findet Ingrid Weidner. „Es ist auch nach der langen Zeit immer noch tragbar“, sagt die 72-Jährige. Dem lässt sich zweifellos zustimmen.
Grundlage für das selbst gestrickte Jäckchen war 1975 ein Strickmuster in der DDR-Fachzeitschrift „Modische Maschen“. „Ich wollte es sofort nacharbeiten“, erzählt die Lückendorferin. Zum einen sind Handarbeiten ein großes Hobby von ihr, schon als Kind häkelte und strickte sie. Zum anderen habe das Jäckchen mit seinen Flügelärmeln in das damalige Umfeld gepasst. „Zu dieser Zeit schwappte aus Ungarn die Zigeunermusik zu uns herüber, die ungarische Schlager- und Popsängerin Zsuzsa Koncz feierte große Erfolge in der DDR, und der in Ungarn spielende Film ‚Ich denke oft an Piroschka‘ wurde gezeigt“, erinnert sich Ingrid Weidner.
Gut zwei bis drei Monate dauerte es, bis sie das fertige Strickjäckchen endlich in den Händen hielt. Im Gegensatz zum Original verzierte sie die Öffnungen mit einem Silberfaden, den ihr Verwandte aus dem Westen besorgten. So erhielt die Jacke eine festlichere Note. Bei großen festlichen Ereignissen wie dem Bachfest in Leipzig oder den Dresdner Musikfestspielen trug Ingrid Weidner das Teil. Heute sind es Theaterbesuche oder besondere Feiern im Familienkreis.
Vieles aus der DDR-Zeit wurde nach der Wende weggeschmissen. Bei dem Strickjäckchen kam Ingrid Weidner nie auf diesen Gedanken. „Solche selbst gefertigten Kleidungsstücke haben einen anderen Stellenwert als gekaufte Stücke“, steht für sie fest. Letztlich schwinge auch ein bisschen Nostalgie mit.