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Luftpiraten über Pirna-Copitz

Wie in der Achterbahn – so fliegt es sich imSegelflugzeug über Pirna.

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Von Michael Rasche

Seil spannt! Flieger rollt! In der Luft!“ Drei kurze Sätze, und schon ist wieder ein Segelflugzeug vom Flugplatz in Pirna-Pratzsch witz abgehoben. Die Saison hat mit den ersten warmen, sonnigen Tagen gerade begonnen. Die Start- und Landebahn ist in Pratzschwitz eine Wiese, der Tower befindet sich in einem Mercedes-Transporter, auf dem ein großes gelbes C klebt. „Wie bei einem richtigen Tower steht das C für Control, also Kontrolle“, erklärt Roman Stelzner, der technische Leiter des Aeroclubs.

Benzinwinde wird abgelöst

Über einen Kilometer lang ist das Seil, an dem die Segelflieger in die Luft gezogen werden. Noch übernimmt das eine Benzinmotorwinde, doch bald wird der Aeroclub „über die modernste Technik eines Segelflugclubs in Ostdeutschland verfügen“, so Roman Stelzner. Der Club hat gerade eine Elektrowinde für 71 000 Euro bestellt. Die Vereinsmitglieder haben durch Spenden und zinslose Darlehen diese Anschaffung ermöglicht.

Aber bis die Winde ziehen kann, müssen sich die Passagiere erst einen Fallschirm umlegen und sich im Segelflugzeug fest angurten. Die meisten Segelflugzeuge sind Einsitzer wie die polnischen Piraten, von denen 15 Stück in den Hallen des Aeroclubs Pirna stehen. Einige Freizeit-Flieger teilen sich so ein Flugzeug in Haltergemeinschaften, um Kosten zu sparen. Aber der Aeroclub hat auch polnische Bocians, und da passt ein Gast mit hinein.

„Der Fallschirm wurde bei uns noch nie gebraucht“, beruhigt der Pilot Wolfram Köpnick, „und der Gurt sorgt dafür, dass wir nicht im, sondern mit dem Flugzeug fliegen.“ Umgeben von Hebeln, die der Gast möglichst nicht berühren sollte, wird auf das Startzeichen gewartet. „Die Hände auf die Knie legen, damit man immer weiß, wo sie sind. Beim Start oft schlucken, um den Druck auszugleichen“, erklärt Wolfgang Köpnick. Dann kommt per Funk das Zeichen aus dem Mercedes-Tower: Es kann losgehen! Das Seil spannt, es ruckt, langsam rollt der Flieger los. Dann, ganz plötzlich, wird man mit aller Gewalt in den Sitz gepresst. Die Winde hat voll angezogen, das Segelflugzeug hebt schon nach wenigen Metern mit über 130 km/h steil in den Himmel über Copitz ab. „Da kann man kurz die Orientierung verlieren“, erklärt der Pilot und hat sehr Recht damit. Der Wind rauscht, Wolfram Köpnick zieht mit aller Ruhe den Steuerknüppel hin und her, um die Richtung zu korrigieren. Mit einem kurzen Klack wird das Seil zur Motorwinde am Boden gelöst. Der Flieger erreicht die Waagerechte in einer Höhe von 350 Metern. Mit 80 km/h gleiten wir fast geräuschlos durch die Luft. In der Ferne liegt die Festung Königstein, unter uns schlängelt sich die Wesenitz in zahllosen Kurven durch Copitz zur Elbe hin. „Wir können ja mal Beschleunigen“, ruft der Pilot, zieht am Steuerknüppel und schon geht es abwärts. Vor uns liegt die Pirnaer Altstadt, das Flugzeug ist innerhalb weniger Sekunden 80 km/h schneller, ein Gefühl wie in der Achterbahn. Dann lenkt Wolfram Köpnick stark nach rechts. Wir drehen in einer Höhe von 220 Metern ein paar Kreise über einer Kiesgrube. Nach zehn Minuten meldet er uns zur Landung an. Eine Platzrunde nennt sich so ein kurzer Flug und kostet beim Aeroclub 20 Euro für Gäste. Bei besserem Wetter, wenn die Thermik stimmt, kann die Tour auch weiter gehen.

Die Profis des Vereins fliegen bei viel Sonne, wenig Wind und einigen Schönwetterwolken schnell mehrere hundert Kilometer. So hält Kay Glatter mit 750 km den Vereinsrekord für 2004. Er ist einer der fünf Vereinspiloten, die sogar in der ersten Liga segelfliegen. Der Aeroclub ist so der beste ostdeutsche Segelflugverein. Doch ist das nicht ein teures Hobby? „Wer zweimal im Jahr Skiurlaub in den Alpen macht, gibt mehr Geld aus als wir“, sagt Roman Stelzner.

Anderthalb Jahre dauert die Ausbildung, 14 ist das Mindestalter. Rund 1 600 Euro muss der Flugschüler zahlen, dann hat er seine Fluglizenz. Immer am Wochenende bei gutem Wetter kann jeder auf dem Flugplatz vorbeischauen, eine Runde über Pirna drehen und alles zum luftigen Hobby erfragen.