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Luthers Patzer ins Löbaus Bibel

Das Stadtarchiv besitzt eine fast 500 Jahre alte Heiligen Schrift. Doch das Alter ist nicht der Grund für ihre Exklusivität.

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Von Marcus Scholz

Löbau besitzt eine echte Luther-Bibel. Das Buch von 1545 enthält die Übersetzung des Alten und Neuen Testaments von Martin Luther, den Urheber der Kirchen-Reformation. Durch den damals aufkommenden Buchdruck konnten die Bibeln in deutscher Sprache vervielfacht und erstmals breiteren Schichten der Bevölkerung zugänglich gemacht werden – schließlich sanken die Kosten durch den Druck in den Bereich, den sich nicht nur Könige und superreiche Adlige leisten konnten. Zudem verstanden nun auch Latein-Unkundige Gottes Wort.

Diese ersten „Massen“-Bibeln tragen den Namen des großen Theologen. Und genau solch ein Originalexemplar besitzt die Stadt Löbau. Normalerweise können es Besucher im Stadtarchiv der Ratsbibliothek betrachten. Doch momentan befindet sich das Exemplar auf Abwegen. Da es in den knapp 500 Jahren seines Daseins ganz schön in Mitleidenschaft gezogen wurde – der Einband und der Buchblock sind defekt, es gibt sogar lose Seiten – befindet sich die Bibel seit Jahresanfang bei einem renommierten Restaurator. Stadtarchivar Jürgen Görner würde sie gern so schnell wie möglich zurückholen. Aber das geht nicht, denn dafür fehlt das Geld. „Mehrere Tausend Euro würde die Restaurierung kosten“, sagte Görner der SZ. „Das Geld dafür steht uns aber leider momentan nicht zur Verfügung.“

Dabei könnte das Stadtarchiv seine Luther-Bibel als Besuchermagnet gut gebrauchen. Das Buch ist nicht nur als eines der ersten gedruckten Exemplare der Heiligen Schrift etwas Besonderes, sondern weil sich auf der Innenseite des Buchdeckels eine Inschrift Martin Luthers befindet – mit einem Fehler. Der Reformator zitiert dort eine Bibelstelle aus dem 2. Brief Paulus‘ an die Thessalonicher. Doch die Bibelstelle stammt eigentlich aus dem 2. Brief Paulus‘ an Timotheus. Die Echtheit des Dokuments als originale Luther-Buchinschrift wurde bereits 1915 nachgewiesen, im Jahr 1927 nochmals. Zu Beginn dieses Jahres kam das Werk erneut auf den Prüfstand. Diesmal wurden die Inschrift und der Buchzustand von Experten der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden bewertet – seitdem ist es nicht mehr in Löbau, sondern vor weiterem Verfall geschützt bei dem Restaurator.

Erstmals erwähnt wurde die „Biblia“ im Jahr 1860 im Sächsischen Postillon, später im Jahresbericht der Realschule zu Löbau. Letztmals taucht die Luther-Bibel 1928 in den Löbauer Heimatblättern auf. Bei der seit April laufenden Sonderausstellung „Sammlungsschätze“ zum 120-jährigen Jubiläum des Stadtmuseums sollte die Bibel eigentlich zu sehen sein.

Neben der handschriftlichen Notiz Martin Luthers finden sich noch andere Bibeltexte in Deutsch nebst Abbildungen, eine originale Unterschrift Luthers sowie Anmerkungen aus der Reformationszeit in dem Buch. Stadtarchivar Jürgen Görner hätte kürzlich bei einer Führung durch die Ausstellung dazu noch viel mehr erzählen können. Da aber neben der Bibel auch keine Besucher da waren, fiel die Veranstaltung aus. „Schade, dass die Löbauer Geschichte und die vielen Zeugnisse der vergangenen Zeit nicht mehr viele Menschen interessiert“, sagte Görner der SZ.

Der Fachmann hätte bei der Führung durch Löbaus Stadtarchiv noch viele andere sehenswerte Schätze präsentiert. Unter anderem einen Ptolemäus-Atlas, in dem sich eine seltene, in Nürnberg gedruckte Landstraßenkarte von Europa aus dem Jahr 1501 befindet. „Das einzige in Deutschland bekannte Exemplar dieser Karte zeigt schon ziemlich exakte Entfernungsangaben europäischer Straßen“, erzählt Archivar Görner. Außerdem hätte er auch Fakten zum Wegbereiter des öffentlichen Bibliothekswesens, dem in Löbau geborenen Karl Benjamin Preusker erzählt und Anekdoten aus früheren Zeiten in Löbau.

Jürgen Görner lässt sich aber nicht entmutigen und wird weiterhin Besichtigungen des Stadtarchivs anbieten.