Zittau. Obwohl die Reformation eigentlich mit der Würdigung von Reliquien Schluss machte: Ein Trinkgefäß, das Martin Luther lange im Gebrauch hatte, war für seine Zeitgenossen durchaus ein Wertstück. Professor Wilhelm Nesen, ein guter Freund des Reformators, hatte das damals schon über 200 Jahre alte Glas von Luther geschenkt bekommen und in Ehren gehalten.
Nach seinem frühen Tod erbte es sein Bruder Konrad, späterer Bürgermeister von Zittau. Ein Zittauer „Journaliste“ namens Chr. Gottl. May beschrieb das 1799 so: „Unter seinem Nachlasse fand sein vorher angeführter, jüngerer Bruder ein simples Trinkglas oder Kristallbecher, der, nach damaligem Preise, kaum für drey Pfennige Bier in sich faßte, und dessen sich – schriftlich beigefügter Notiz nach – Luther sehr öfters bey Tische bedient, und solchen nachher seinem Herzensfreunde Nesen, als einen Beweis der Liebe und Achtung gegen ihn verehret hatte.
Sogleich begab sich der jüngere Nesen mit besagtem Becherglas zu Luthern, um es ihm, als sein ehemaliges Eigenthum, wieder einzuhändigen. Luther erwiederte aber dagegen: Er habe seinem nun verewigten Freunde, Wilhelm Nesen, dieses Glas zum Andenken geschenkt; es würde ihm also desto genehmer seyn, wenn solches stets in Nesenischen Händen verbliebe. – Dies geschah auch und wurde unter dem Namen, das Nesenische Lutherglas, von Zeit zu Zeit durch künstliche Einfassungen verschönert und blieb immer als eine Lutherische Reliquie in den Händen der Nesenischen Familie zu Zittau, bis ins Jahr 1793...“ Entsprechend eines Vermächtnisses des letzten männlichen Nesen übergab dessen Witwe in diesem Jahr den Pokal der „kurfürstlichen Kunstkammer“ in Dresden.
Heute gehört er zu den Schätzen des „Grünen Gewölbes“. Denn er ist weit mehr als ein uraltes Trinkglas. Ließ doch Konrad Nesen den Becher durch den Nürnberger Goldschmied Christoff Ritter in einen Pokal verwandeln. Eine Reliquie die heute, 500 Jahre nach der Reformation auch in das, bekanntlich schon sehr früh protestantische, Zittau passen würde… Dankenswerterweise haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ein aussagekräftiges Bild zur Verfügung gestellt. Und informierten, dass der Pokal derzeit und bis zum 31. Oktober bei der von den Kunstsammlungen ausgerichteten ersten nationalen Sonderausstellung „Luther und die Fürsten“ in Schloss Hartenfels in Torgau zu sehen ist. Wer das Wertstück also sehen will, kann das dort tun. Vielleicht irgendwann auch in Zittau? (Rß)