Von Alexander Schneider
Rose wurde oft genommen, auch Paul, Franz oder Friedrich. Gerne haben sich die inoffiziellen Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR auch nach Schriftstellern oder Schauspielern genannt. Der Deckname war eine sehr persönliche Angelegenheit. Ihn durften sich die IM selbst aussuchen, als sie mit dem MfS den Bund fürs Leben geschlossen hatten.
Heute, fast 14 Jahre nach dem Fall der Mauer, sind längst nicht alle Decknamen enttarnt. Viele IM haben daher noch immer keinen Schlussstrich unter ihre wenig rühmliche Vergangenheit ziehen müssen, wenn sie es schon nicht von sich aus taten. Die „Zielpersonen“, die von ihnen bespitzelt wurden, meist Freunde, Bekannte oder Kollegen, ahnen manchmal bis heute nichts. Das Lügen der IM hält an. „Diesen Leuten fehlt es an einer menschlich-moralischen Größe“, sagt Konrad Felber, der Leiter der Dresdner Außenstelle der Gauck-Behörde. „Die machen einfach weiter. Das enttäuscht mich schon.“
Felbers Außenstelle wacht über zwölf Kilometer Stasi-Hinterlassenschaften aus dem Bezirk – jede Menge Karteikarten, Akten, Fotos, Tonbänder und dergleichen mehr. Allein 1 000 Säcke mit zerrissenem Material lagern in Suhl, bis sie im mittelfränkischen Zirndorf wieder zusammengepuzzelt werden. Doch andere Papiere sind eher an der Reihe, und da dauert es eben. Auch ohne dieses Reißwolf-Material wächst der Grad der erschlossenen Akten ständig. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir fast fünf Prozent dazugewonnen“, sagt Archivarin Siw Gerber. „Jetzt sind drei Viertel unserer Bestände erschlossen“.
Für Menschen, die vom MfS bespitzelt wurden, heißt das im Umkehrschluss: Es gibt neue Informationen für sie. Es lohnt sich, einen weiteren Antrag auf Einsicht in die Stasi-Akte zu stellen. Oft sind inzwischen auch Decknamen entschlüsselt worden.
Felber: „Wir können uns aber nicht melden, wenn wir neues Material haben. Das muss der Antragsteller schon selbst tun.“ Bis Ende 2002 gingen etwa 600 bis 800 Anträge monatlich in der Dresdner Außenstelle auf der Riesaer Straße ein, jeder fünfte davon als Wiederholungsantrag. Felber: „In 70 Prozent der Fälle haben wir eine Akte.“ Zurzeit werden Bürger bedient, die ihren Antrag 1999 gestellt hatten. „Wenn wir keine Akte haben, erfährt das der Antragsteller sehr schnell“, sagt der Behördenleiter.
Man muss nicht einmal persönlich in der Außenstelle erscheinen, um seinen Antrag zu stellen. Das geht via Internet oder schriftlich. Die Mitarbeiter schicken dem Bürger in der Regel eine Kopie seiner Akte nach Hause.
In den Lesesaal der Außenstelle kommen vor allem Menschen mit einer schwierigen oder sehr umfangreichen Aktenlage. Der Vorteil ist, dass ihnen hier die Mitarbeiter bei Fragen schnell helfen können. Und dort können sie auch gleich einen Antrag auf die Entschlüsselung von Decknamen stellen.