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Manches Denkmal darf auch mit Füßen getreten werden

Eine Serie widmet sich den bestehenden und den vergessenen Denkmalen. Heute: Historisches Pflaster

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Von Ralph Schermann

Viele Straßen der Görlitzer Altstadt haben sich ihren Denkmalcharakter auch unter den Füßen erhalten. Nur dort, wo es für den Verkehr unbedingt nötig ist, lassen sich die Stadtplaner auf moderne Straßenbeläge ein – sonst aber gilt Denkmalpflege auch auf Straßen und Gehwegen, wird wieder mehr als noch vor wenigen Jahren wieder stadtteiltypisch gepflastert.

Nachdem gute Pflasterer längst rar geworden waren, wird diese handwerkliche Kunst auch wieder ausgebildet und von den Straßenbaufirmen angeboten. Dabei gab es sogar mal eine Zeit vor der uralten Pflasterung. Lehm und Kies wurden lediglich gestampft, um eine Straße halbwegs befahrbar zu bekommen. Als in Görlitz erstmals Steine für Straßenbefestigungen verwendet wurden, war das so eindrucksvoll, dass sich die Namen dafür bis heute erhalten haben: Steinstraße, Steinweg, Obersteinweg.

„Alte Rechnungen für Steinsetzer bekunden, dass man viel Mittel dafür verwandte“, notierte auch der Görlitzer Historiker Richard Jecht in seiner „Topografie der Stadt Görlitz“. Er forschte auch über die Bezeichnung „Pflaster“ und fand heraus, dass dieser Begriff früher gar nicht bekannt war. Man sprach vom „besetzen“ und vom Einbau der „Besetztsteine“. Diese waren durchweg Basaltbrocken, die in und um die Stadt vorhanden waren. 1482 bereits erwarb die Stadtverwaltung selbst einen Steinbruch in der Kummerau. Er erstreckte sich bis zur heutigen Zeppelinstraße. Der Lausitzer Chronist Knauthe schrieb um 1760: „Der Stadt Görlitz muss man Lob widerfahren lassen, dass sie die besten Steinwege unter den Sechsstädten hat, wie solches alle Durchreisenden und Fuhrleute rühmen. Die Stadt hat ein von festen blauen Steinen dicht zusammengesetztes Pflaster, welches so eingerichtet ist, dass es in den Gassen von den Häusern in die Mitte der Gassen absackt.“ In besagter Mitte verliefen früher die Gerinne, in denen Schmutz- und Regenwasser fortgespült wurden und in Gullys – einst Abzüchte genannt – oder durch Löcher in der Stadtmauer aus dem Blickfeld verschwanden.

Im 17. Jahrhundert wurden die Plätze mit Pflaster belegt. Im Lauf der Zeit machten die Görlitzer Pflasterer auch über die Stadtgrenzen hinaus von sich reden. Görlitzer Steinsetzer wurden später von anderen Orten angefordert. Überliefert sind Aufträge für Pflasterarbeiten, die Görlitzer Handwerker am Beginn des 19. Jahrhunderts nach Stolpen, Dresden, Bischofswerda und auch Berlin führten.

Nachdem die Straßen alle ihr Pflaster weghatten, widmeten sich die Stadtplaner den Gehwegen. Der erste Bürgersteig, der 1839 gebaut wurde, entstand auf der Neißstraße. Es folgten die Brüderstraße (1843), der Obermarkt (abschnittweise 1848 bis 1856), der Steinweg (1845/1847) und die Weberstraße (1853). Bei sehr engen Gassen wurde kein Bürgersteig an die Seite, sondern ein Granitplattenbelag in der Mitte angeordnet. Zu finden war diese Lösung zum Beispiel 1863 in der Schwarzen Straße, ab 1864 in der Apothekergasse oder ab 1865 in der Verrätergasse. Die Lunitz ist noch heute ein Musterbeispiel für diese Beläge aus der Zeit des 19. Jahrhunderts.