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Mangel an Bewerbern: Dresden ohne Zivis

In Dresden ist fast jede zweite Zivildienststelle verwaist. Von 1 531 Plätzen sind derzeit nur 839 belegt. Lothar Erler hat ein Problem. Von 50 freien Zivildienstplätzen konnte er als Geschäftsführer der Dresdner Lebenshilfe bislang nur 35 vergeben.

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Von Claudia Schade

In Dresden ist fast jede zweite Zivildienststelle verwaist. Von 1 531 Plätzen sind derzeit nur 839 belegt.

Lothar Erler hat ein Problem. Von 50 freien Zivildienstplätzen konnte er als Geschäftsführer der Dresdner Lebenshilfe bislang nur 35 vergeben. Der Grund: Mangel an Bewerbern. „In den vorhergehenden Jahren konnten wir alle Stellen besetzen“, sagt er. „Doch 2002 schafften wir das schon nicht mehr. Und in diesem Jahr ist es noch schlechter.“

Wer bei der Lebenshilfe seinen Zivildienst leistet, wird meist in der Pflege von Behinderten eingesetzt: in Werkstatt, Wohnheimen, Kindertagesstätten oder im ambulanten Dienst. Keine leichte Aufgabe und anscheinend auch nicht jedermanns Wunsch. „Die Zivis können sich heutzutage aussuchen, wo sie hingehen wollen“, sagt Erler. Da sei manchem ein Dienst in der Verwaltung mit geregelten Arbeitszeiten und Computertätigkeit lieber. „Wir finden im aufwendigen Pflegebereich immer weniger Leute.“

Wo kein Geld,

da auch kein Zivi

Damit steht die Lebenshilfe nicht allein. Von 1 531 Zivildienstplätzen, die es in Dresden gibt, sind nach Auskunft des Bundesamtes für Zivildienst in Köln derzeit nur 839 belegt. 153 davon bei der Stadtverwaltung. Damit bleiben 45 Prozent der Stellen verwaist. Den Hauptgrund dafür sieht Zivilamtssprecher Josef Opladen im Geldmangel des Bundes, der einen Teil der Kosten bestreitet. „Seit vier Jahren deckelt der Bund den Haushalt“, sagt Opladen. „Deshalb gibt es nur eine bestimmte Menge Geld.“ Und wo kein Geld, da auch kein Zivi. Regina Mannel, Landesgeschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sieht das „größte Drama in der Schwerbehindertenbetreuung. Die fehlenden Zivis schränken die Betreuungssituation ungemein ein“, sagt sie. Bei den Dresdner Mitgliedern des Verbandes, die die Vergabe ihrer Zivistellen selber regeln, sind in diesem Jahr mehr als 200 Plätze für Wehrdienstverweigerer zu besetzen.

Schwierigkeiten anderer Art haben private Vereine zur Kinderbetreuung. Sie finden mit einiger Mühe zwar noch Wehrdienstverweigerer, haben aber ein Zeitproblem. „Unser letzter Zivi ist seit Anfang Mai weg, der nächste kommt aber erst im Juli“, sagt Anja Kaps, Erzieherin im Kinderhaus am Jägerpark. „Durch die Verkürzung der Zivildienstzeit auf zehn Monate haben wir Engpässe.“ Die kommen dadurch zustande, dass viele junge Männer ihren Dienst nach dem Schulabschluss und vielleicht noch nach einem Urlaub erst im Juli oder August antreten wollen.

„Diese Engpässe gehen zu Lasten der Erziehungsarbeit“, sagt Annika Römisch vom Neustädter Verein „Kichererbsen“. Dort müssen 43 Kinder drei Monate auf eine männliche Zivi-Kraft verzichten, die bei der Küchenarbeit hilft, Reparaturen und kleinere Renovierungen sowie die Gartenarbeit übernimmt. „Die Erzieher müssen viele Arbeiten selber machen und werden so davon abgehalten, sich um die Kinder zu kümmern“, bedauert Römisch. Weiteres Ungemach droht, sollte der Zivildienst, wie von der Bundesregierung überlegt, auf sechs Monate verkürzt werden. „Dann bieten wir keine Plätze mehr an“, sagt Erler. „Sechs Monate sind einfach zu wenig.“ Statt auf die Männer setzt er nun auf Frauen – und wirbt verstärkt für ein freiwilliges soziales Jahr.