Von Andreas Kirschke
Ave, Ave, Ave Maria… Ave, Ave, Ave Maria“, zieht sich der Gesang bis zum Ende des Pilgerzugs. Immer wieder beten die Gläubigen zur Mutter Gottes unterwegs. Von der Betsäule zwischen Kotten und Cunnewitz geht’s nach Ralbitz. Mittendrin tragen sie die Maria-Figur. Eine geschnitzte Nachbildung der Mutter Gottes aus der Wallfahrtskirche Rosenthal. Seit Pfingstmontag 2003 pilgert sie auf Initiative des katholischen Vereins Bratrowstwo (Bruderschaft) jeden Tag von Haus zu Haus. In über 1 000(!) Familien weilte sie bisher.
Fürbitten an eine Heilige
„Jede Familie entscheidet für sich, welche Fürbitten sie an Maria richtet“, erzählt Beate Michalk aus Saalau. Als eine der ersten nahm ihre Familie die Figur in Empfang. Gemeinsam betete sie. Sie erbat starken inneren Zusammenhalt für die Familie. Sie betete für feste Gesundheit der Angehörigen, für einen guten Schulalltag der Kinder. „Für die Hoffnung, die bleibt“, betont Beate Michalk. Um die familiäre Einheit geht es auch Cyrill Scholze aus Kotten. „Der häusliche Segen wird jeden Tag gebraucht“, schildert er. „Es ist wie mit einem jungen Liebespaar. Es kann sich gar nicht oft genug sagen: Ich liebe dich.“ Vier Brüder und fünf Schwestern hat Cyrill Scholze. Seine Mutter, Maria Scholze, freut sich inzwischen über 30 Enkel. Auf vielfältige Weise ehrt die Familie die Mutter Gottes. Die zugehörige Pfarrei Wittichenau trägt Marias Namen. Bei Wallfahrten nach Rosenthal richtet die Familie Fürbitten an die Gottesmutter. „Oft sind es spontane Bitten“, schildert der Kottener. „Wir finden immer wieder Stärkung im Glauben, Erfüllung und Bekräftigung.“ Dafür sorgt auch die pilgernde Figur.
Die Intention kam Dr. Peter Bresan, Vorsitzender des Vereins Bratrowstwo, während der Prozession von Sulawki (Ostpolen) nach Vilnius (Litauen). 7 500 Gläubige vereinte sie im Juli 2002. Sie führte zur zweifach gekrönten Madonna Ostrobramska. Christus erkennen hieß das Motto. „In der Prozession waren Pilger aus ganz Polen, vor al-lem akademische Jugend, Ordensgemeinschaften und durch besondere Frömmigkeit geprägte Christen“, erinnert sich Peter Bresan. Einer der Mitpilger war der Maschinenbau-Ingenieur Tadeus Tykocki aus Piontnica (Ostpolen). Unterwegs schnitzte er Heiligenbilder. Er verschenkte sie an Mitpilger - auch an Peter Bresan. Stolz nahm dieser in Vilnius eine kleine Figur der Mutter Gottes in Empfang. „Ich zeigte ihm ein Bild der Mutter Gottes von Rosenthal, fragte ihn, ob er auch diese Figur originalgetreu fertigen kann“, erinnert sich Bresan. Ein reger Briefwechsel, der Austausch von Skizzen und Fotos folgte. Am 5. Mai 2003 traf die geschnitzte Figur als Geschenk bei Peter Bresan in Sollschwitz ein. Damit bekundete der Pole auch seine Verbundenheit mit den Sorben. „Gott wird es nicht zulassen, dass dieses betende Volk seine Identität verliert“, meint Tadeus Tykocki. „Ich hoffe, dass die pilgernde Rosenthaler Mutter Gottes die Herzen der Jugend zum Dienst für Christus ermuntert.“ Ihre kräftigen Farben erhielt die Figur durch die polnische Künstlerin Martha Downar.
Pfingstmontag 2003 erfolgte die Weihe der Figur in Rosenthal. Seitdem pilgert sie von Haus zu Haus. Von Sollschwitz, Saalau, Kotten, Hoske, Rachlau, Brischko, Keula, Dörgenhausen, Neudorf, Dubring, Liebegast und Wittichenau ist sie jetzt nach Ralbitz gelangt. „Ihre Aufgabe, liebe Einwohner, ist es jetzt, die Figur weiterzureichen. In andere Gemeinden“, wendet sich M ìræin Deleñk, Jugendpfarrer der sorbisch-katholischen Gemeinden, in der Ralbitzer Kirche an die Gläubigen. Er selbst begleitete die Weitergabe der Figur in der Wittichenauer Pfarrei. Der Ralbitzer Pfarrer Micha³ Nawka betont, dass die Figur Mütterlichkeit bringt. „Denn Glaube wird zuallererst über die Mutter vermittelt. Sie erst bringt Emotionalität in den Glauben.“
Freude über hohe Akzeptanz
Bis 22. Oktober verbleibt die Mutter Gottes in der Ralbitzer Kirche. Dann geht es auch hier in der Gemeinde von Haus zu Haus. Die anderen sorbisch-katholischen Gemeinden folgen. Ebenso weitere Pfarreien in den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz. „Sogar evangelische Christen haben um einen Besuch gebeten“, freut sich Peter Bresan über die hohe Akzeptanz. Das Gebet, so verdeutlicht er, ist der Atem der Seele. Und für diese so wichtig wie die Nahrung für den Körper. „Das gemeinsame Gebet in der Familie ist heute wichtiger denn je“, schätzt er ein. „Es ist eine wichtige Form der Bindung zur Muttergottes. Wir erleben sie als erste Christin, die uns einen tiefen Glauben vorgelebt hat.“
Überall, so der Initiator, begrüßen Einwohner die Figur freundlich. „Modli so - Bete“ prangt auf ihrem Baldachin. Eine sorbische und deutsche Gebetsempfehlung liegt bei. „Mutter Gottes mit dem Jesuskind, segne uns und jedes Haus. Bewahre uns vor Unheil.“