Von Ines EifAer
Echte Bilder von Marc Chagall (1887-1985) in einer einfachen Dorfkirche? Das gab es noch nie in der Oberlausitz. Der junge Friedersdorfer Pfarrer Daniel Jordanov hat eine ganze Ausstellung mit Originallithografien eines der wichtigsten und einflussreichsten Maler des 20. Jahrhunderts in seine Kirche geholt.
Rund vierzig farbige Steindrucke aus Marc Chagalls Zyklus „Bilder zur Bibel“, entstanden um 1960 in Paris, hängen eins am andern unter den hölzernen Emporen im Kirchenschiff. Szenen aus dem Alten Testament, Figuren, deren Namen jeder Christ kennt, Könige, Apostel und Engel. Gewölbte, gekauerte, ganz einfache Gestalten, Frauen und Männer in Sünde und Liebe, in Schmerz, Hoffnung und Glück. In Farben, wie man sie von Chagall kennt, in vielem Blau zwischen Luft und Meer, mit Rot und Gelb oder Grün und Schwarz, in kräftigen Konturen.
Als die Ausstellung am Sonnabend eröffnet wurde, war es der Altmünsteraner Pfarrer i. R. Sven Findeisen, der eine Brücke zwischen Chagalls Bildern und den Besuchern schlug. Zwischen einiger Musik von Cembalo, Flöte, Klavier und Fagott, dann Einblicken in Chagalls Leben und vorgelesenen Selbstaussagen des Malers erfährt man eine Menge über seine Kindheit, seine Heimat und sein Malen. Chagall sei nach wenigen Jahren in Paris 1914 in sein weißrussisches Heimatdorf Witebsk zurückgekehrt, um zu heiraten, und da habe er gesehen, wie seine Landsleute, die chassidischen Juden malen. „Als Handwerk verstanden sie ihre Malerei, und Chagall schämte sich, dass er in Paris so von der Mode angesteckt worden war und kubistisch gemalt hatte.“ Findeisen sagt, Chagall habe also in einer Art zu malen begonnen, die Kinder besser verstehen als Erwachsene.
An einem Bild, als Beispiel für Chagalls gesamte Malerei, erklärt der Chagall-Experte die Rolle der Farben, den Sinn der Bilder, das gemalte Bibelwort in allen seinen Schattierungen. Deutet das Rot als Farbe der Liebe und des Opfers, das Sonnengelb und Gold als Himmel, der sein göttliches Licht zu uns Menschen schickt.
„Es ist viel mehr als nur Blumen und schwebende Liebespaare. Chagall ist der Maler des Unsichtbaren. Er zeigt die Welt, wie sie ist, einfach und elementar“, sagt Sven Findeisen. „Er spricht keine Sprache, die man in der Schule lernt. Aber man kann auch Chagalls Bildersprache lernen, dann eröffnet sie eine ganze Welt und wird nie langweilig.“
Pfarrer Jordanov kam auf die Idee, Chagalls Bibelbilder mitsamt dem Kenner Sven Findeisen einzuladen, weil ihn die Emporenbilder in seiner Kirche so an den großen Maler erinnerten. Während seines Vikariats in Luxemburg hatte er Findeisen bei einer Führung durch eine Chagall-Ausstellung kennen gelernt. Als er 2004 in Friedersdorf Pfarrer wurde, fiel ihm die einfache Bauernmalerei über den Köpfen der Gemeinde auf und die Ähnlichkeit. Er wollte den Hiesigen zeigen, dass moderne Kunst nichts Fernes, Elitäres ist, und vor allem seine Kirche öffnen. Mit vielen Ehrenamtlichen und seinen Mitarbeitern hat er ein viertel Jahr lang großen Aufwand betrieben, Chagall nach Friedersdorf zu bekommen.
Zur Vernissage erfüllte sich Jordanovs Hoffnung, damit würde er Besucher aus der ganzen Umgebung in die St. Ursula Kirche locken und könnte die Oberlausitzer wie die Leute seines Ortes für die ganz große Kunst begeistern. Denn voll waren Kirche und Parkplatz, die Leute hörten geduldig über zwei Stunden zu und befassten sich dann noch einmal selbst mit den Bildern. So nah aber Friedersdorf auch an Görlitz liegt, von den Vätern der Kultur- und Europastadt saß keiner im Gestühl, gerade als sei es alltäglich, dass einer der bedeutendsten Maler der Moderne hier ausgestellt wird.