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Mehr Hilfe für die Seele

Reichenbach hat zwei neue Psychotherapeutinnen. Im Landkreis sind neun Praxen dazugekommen.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Constanze Junghanß

Betroffene können ein Lied davon singen: Die Wartezeiten auf einen Termin bei einem Psychotherapeuten sind lang. Monate dauert es, bis Patienten endlich einen Termin bekommen. Doch nun scheint Besserung in Sicht. In Reichenbach haben sich gleich zwei Diplom-Psychologinnen niedergelassen. Nora Ehrlich und Maika Müller teilen sich eine Praxisstelle in der Nieskyer Straße 10. Damit ist die berühmte „Ledercouch“ gleich in doppelter Ausführung in der Kleinstadt vorhanden. Ebenso zwei schlicht, aber gemütlich wirkende Therapiezimmer, inklusive Blumen und Taschentuchbox auf dem Tisch.

Wie groß der Bedarf an Beratungen und Gesprächen ist, haben die beiden Frauen gleich von Beginn an zu spüren bekommen. Nur wenige Wochen nach der Eröffnung sind bei den beiden Psychologinnen die Terminkalender rappelvoll. „Einen Sofort-Termin wird es bei uns nicht geben. Etwa ein Quartal müssen Hilfesuchende an Wartezeit immer noch einplanen“, sagen die beiden jungen Frauen. Also keine Verbesserung für die Patienten? Die Reichenbacherinnen begründen das in dem immer noch hohen Bedarf. „Eine Therapiestunde dauert mindestens 50 Minuten. Die Kapazitäten sind also begrenzt. Pro Woche behandelt jede von uns 20 bis 25 Patienten. Mit einer Sitzung ist das meistens nicht getan, denn Therapien dieser Art dauern oft ihre Zeit“, so Nora Ehrlich.

Für Reichenbach entschieden sich die Frauen, weil der ländliche Raum unterversorgt ist. „Die Kleinstadt ist zentral gelegen und durch die Bahn sowie die Nähe zur Autobahn gut erreichbar“, sagt Maika Müller. Die Frauen nehmen selbst längere Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf. Maika Müller pendelt zwischen Dresden und Reichenbach. Nora Ehrlich zog mit ihrer Familie aus privaten Gründen bereits nach Bautzen. Ihre Patienten kommen aus der Nähe, aber auch aus Weißwasser, dem Dresdner und Cottbuser Raum. Denn anderenorts sind die Wartezeiten auf Termine noch gravierend länger. Sie sprechen von bis zu zwei Jahren Wartezeit. Das bestätigt Michael Rabe, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KV).

Bund und Länder haben den Mangel an Psychotherapeuten erkannt und reagiert. Mit der Änderungen der sogenannten Bedarfsplanungs-Richtlinie kann der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im Freistaat Sachsen zusätzliche Stellen freigeben. „Ziel ist nun, eine möglichst flächendeckende Versorgungsstruktur zu erreichen. Auch mit weiteren Zulassungen“, erklärte Michael Rabe. Denn Nora Ehrlich und Maika Müller sind nicht die einzigen neuen Psychologinnen im Landkreis Görlitz. Neun Psychologische Psychotherapeuten haben jetzt die Zulassungen für eigene Praxen erhalten. Drei davon in Görlitz, zwei jeweils in Niesky und in Reichenbach und eine in Weißwasser und Nieder Seifersdorf. „Damit praktizieren im Landkreis insgesamt 38 Ärztliche-, Psychologische- und Kinder- und Jugendpsychotherapeuten“, ergänzt der Geschäftsführer. Bis zum Vorjahr waren außerhalb der Stadt Görlitz nur jeweils eine Psychotherapeutin in Niesky und Weißwasser tätig sowie ein Kinder- und Jugendpsychotherapeut im Schöpstal.

Bei den neun „Neuen“ soll es aber nicht bleiben, sagt Michael Rabe. Laut seiner Einschätzung sind weitere Anträge auf Zulassung im gesamten Landkreis Görlitz möglich. Denn noch nicht sind alle Psychotherapeutenstellen besetzt.

Erst wenn das Netz dichter wird, können die Wartezeiten merklich verringert werden. Nach der alten Bedarfsplanung kamen auf einen Psychotherapeuten im ehemaligen NOL-Kreis 16 615 Einwohner. Jetzt sind es 6 312. Im früheren Kreis Löbau-Zittau waren es 8 389 Einwohner pro Therapeut, jetzt sind es 6 500, nennt die KV Sachsen die Zahlen. Mitgerechnet sind auch die in den Krankenhäusern wie in Görlitz und Großschweidnitz tätigen Psychologen. Von einer grundsätzlichen Entspannung der Wartezeiten kann also noch nicht die Rede sein, auch wenn sich die beiden Reichenbacherinnen redlich darum bemühen.