Wo klemmt es beim Autobahnbau, Herr Minister?

Thomas Schmidt (CDU) ist der neue Staatsminister für Regionalentwicklung in Sachsen. Sein Ministerium ist ebenfalls neu. Bevor alles reibungslos laufe, werde es wohl noch etwas dauern, sagte er jetzt während des Neujahrsempfangs der CDU des Kreises Görlitz in Tauchritz. Hier war er zu Gast, Thomas Schmidt kennt und schätzt die Oberlausitz. Der Strukturwandel ist eines der großen Themen, mit dem er sich auseinandersetzt. Die SZ sprach mit ihm über Lehrer, Straßenbau, Bauern und die AfD.
Die neue Staatsregierung hat ein Sofortprogramm über 220 Millionen Euro beschlossen, unter anderem mit neuen Studienplätzen für Lehrer, einer Landarztquote. Bevor die greifen, werden aber noch Jahre vergehen. Wie soll die Zeit bis dahin überbrückt werden?
Wir dürfen die Dinge nicht auf Krampf durchboxen. Wenn einzelne Maßnahmen dieses Jahr noch nicht konkret anlaufen, werden die Mittel dafür übertragen. Andererseits: Je später wir anfangen, desto später wird auch die Wirkung einsetzen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, so schnell wie möglich Bewerber zu finden und für den sächsischen ländlichen Raum zu gewinnen.
Wo sollen die Bewerber für die Lehrer- und Medizinerstellen denn herkommen?
Ich bin sicher, dass es nicht an Bewerbern mangelt. Vielmehr dürfen wir uns nicht allein an der Abschlussnote des Abiturs orientieren. Beispiel Ärzte: Nicht jeder Abiturient mit einer 1,0 oder 1,1 muss zwangsläufig ein guter Arzt werden. Manche haben eine 1,5 im Abiturdurchschnitt und werden hervorragende Mediziner. Wir müssen hier mehr auf soziale Kompetenzen und erworbene Fähigkeiten achten.
Beim Neujahrsempfang der CDU des Kreises Görlitz hieß es jetzt, dass die Bürger sehr bald, in den kommenden Monaten, Ergebnisse aus dem Sofortprogramm bemerken werden. Welche denn?
Wir werden zum Beispiel das erfolgreiche Programm „Vitale Dörfer und Ortszentren“ weiterentwickeln. Dafür haben wir im Sofortprogramm Geld für „Vitale Regionen“ bereitgestellt, um insbesondere die Stadt-Umland-Verbindungen auszubauen. Eine bessere Anbindung an die umliegenden Städte stärkt unsere ländlichen Räume und ist ein ganz wesentlicher Beitrag, um das Leben auf dem Land attraktiv zu gestalten. Es sind auch zusätzliche Mittel für den kommunalen Straßenbau und öffentlichen Personennahverkehr im Sofortprogramm enthalten.
Apropos Straßenbau: Wie steht es denn da um die Planungen zum Weiterbau der B 178 und dem Ausbau der A4?
Mit dem Stand bin ich nicht zufrieden. Es wurde keine Planbeschleunigung per Gesetz beschlossen, sondern eine Erhöhung des Personals für Planungsbehörden. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass Vorhaben mit einer Planungsbeschleunigung wesentlich schneller umgesetzt werden können. Mehr Personal bringt nicht automatisch denselben Effekt. Das ist wirklich ein Ärgernis.
Welchen Einfluss hatte denn der Druck der AfD auf den Beschluss des Sofortprogrammes?
Das mag für einen Außenstehenden so ausgesehen haben. Aber nein, den Druck gab es nicht. Wir wissen auch ohne die AfD, das wir beispielsweise den Breitbandausbau voranbringen und den öffentlichen Personennahverkehr vor allem im ländlichen Raum stärken müssen.
Der Mitmach-Fonds ist in die zweite Runde gestartet. Bürger im Land können ihre Ideen, kleine und große, zum Thema Strukturwandel einbringen, die besten werden prämiert. Zuletzt waren das beispielsweise ein Schaukelbau, Geld für 1000 Frühblüher und eine gestaltete Straßenbahn in Görlitz. Ist das nicht eher ein Stimmungsaufheller für die Bevölkerung?
Das sehe ich nicht so. Wir wollen die Menschen einbeziehen und mit ihnen gemeinsam Strukturentwicklung gestalten. Die Menschen vor Ort können überlegen: Was können wir in der Region bewegen? Wie soll unsere Region aussehen? Tausende haben sich dazu schon in der ersten Runde zusammengesetzt, sich über die Zukunft ihrer Gemeinden Gedanken gemacht. Auch wenn sie am Ende kein Preisgeld bekommen haben, werden sie ihre Ideen weiterverfolgen, sich weiter treffen und über Projekte debattieren.
Aber die großen Probleme nach 2038, nach dem Kohleausstieg, werden damit nicht gelöst.
Nein, das ist auch nicht Sinn des Mitmach-Fonds. Es geht um das Engagement der Bürger. Für einen erfolgreichen Strukturwandel brauchen wir die Dynamik, den Mut und die Bereitschaft der hier lebenden Menschen, den Wandel aktiv mitzugestalten. Wir müssen stärker über positive Dinge reden, Herausforderungen angehen. Schon in der ersten Runde des Mitmach-Fonds haben sich die Leute intensiv mit Themen in ihren Gemeinden beschäftigt. Das wird beim zweiten Aufruf genauso sein. Wenn wir das erreichen, ist für den Freistaat viel gewonnen.
Den Bauern scheint hingegen die positive Grundstimmung momentan abhanden gekommen zu sein. Wie sehen Sie die derzeitige Entwicklung als früherer sächsischer Minister für Umwelt und Landwirtschaft?
Die momentane pauschale Verurteilung der Landwirtschaft entspricht nicht der Realität. Ich verstehe, dass der Frust groß ist. Natürlich gibt es wie in jeder Branche schwarze Schafe. Aber Bauern müssen schon heute nachweisen, dass sie alle Regeln einhalten – wie etwa beim umstrittenen Thema Düngen. Wir haben ein Messnetz, das die Nitratbelastung anzeigt – nicht flächendeckend, sondern dort, wo besonders hohe Belastungen auftreten können. Man muss differenziert vorgehen, Akzeptanz schaffen. Zum Beispiel fordern Umweltschützer, dass nicht mehr als zwei Großvieheinheiten auf einen Hektar Land kommen sollen. In Sachsen sind wir bei 0,5 Einheiten, andere Bundesländer haben über drei. Ich finde es im Übrigen sehr selbstbewusst von den Landwirten, wenn sie sagen: Wir wollen nicht mehr Geld, sondern selbstbestimmt mitgestalten!
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