Von Matthias WeigelundIris Hellmann
Sie stehen in Arnsdorf, Radeberg und Ottendorf-Okrilla und scheinen – außer mancher Umbau- oder Verkaufsmeldung – fast alltäglich. Und doch verbergen sich hinter dem Zwölfeckhaus interessante Geschichten. In den frühen siebziger Jahren hat sie der Dresdner Architekt Manfred Zumpe entworfen. „Es gab dafür keinen Auftrag – wohl aber einen Bedarf“, sagt Zumpe, der in der Dresdner Neustadt heute ein Architektenbüro hat. Reine Eigeninitiative sei es gewesen, einen interessanten Beitrag zum Wohnungsbau im damaligen Bezirk Dresden zu leisten. Vorteil des Entwurfes: Flexible Grundrisse, symmetrischer Aufbau.
Erstes Haus in Ottendorf
Es sollte etwas Eigenständiges, Neues entstehen. „Anders als diese 08-15 Bauten der Zeit“, erklärt der Professor. Seine gewonnene Erfahrung im Berliner Wohnungsbau konnte er da gut einbringen. Bei Vorträgen wurde schließlich der damalige Rat des Kreises – der dann als Bauherr auftrat – auf den neuartigen Entwurf aufmerksam. In Ottendorf-Okrilla sollte das erste Haus entstehen. 1975 begannen die Arbeiten schräg gegenüber dem Gemeindeamt. „Wir haben alles selbst gemacht“, schildert Zumpe. Von der Einrichtung der Baustelle bis zum Schalungssystem.
Von großem Vorteil war das naheliegende Betonwerk – in dem viele Teile fertig gegossen wurden. Lange Transportwege entfielen. 1977 konnte das Gebäude übergeben werden. Wo sich erst Skepsis breit machte, herrschte schnell Begeisterung. Zumpe erinnert sich: „Wir richteten zwei Musterwohnungen komplett möbliert ein.“ Diese standen dann zur Besichtigung offen. „Da gab es eine endlose Warteschlange zu den Terminen.“
Manfred Drechsler ist ein „Erstbewohner“ des ersten Arnsdorfer Zwölfeckhauses. 1978, kurz vor Silvester, ist er hier mit seiner Familie in eine Vier-Raumwohnung gezogen. Er erinnert sich noch ganz genau an den Tag der offiziellen Freigabe: „Das war vielleicht ein Medienauflauf“, erzählt der 67-Jährige. Am Anfang seien die Arnsdorfer etwas skeptisch gewesen, als die „Bauklötzer“ in ihren Ort gesetzt werden sollten. „Doch als wir eingezogen waren, setzte ein regelrechter Besichtigungstourismus ein“, bestätigt Drechsler. Und dann waren die Leute begeistert. „Beim zweiten Haus wurde regelrecht um die Wohnungen gekämpft.“
Manfred Drechsler ist auch heute noch vom Haus begeistert. „Wo man sonst dem Nachbarn auf dem Balkon nebenan die Hand schütteln kann, ist hier immer eine Hausecke dazwischen.“ Und nicht zuletzt sei durch die Ein- bis Vier-Raumwohnungen eine „gute soziale Durchmischung“ erreicht worden, sagt er. Hier wohnen sowohl junge Leute, die ihre erste Wohnung haben, als auch ältere Ehepaare und Familien mit Kindern.
Konkurrenz zu Plattenbau
Politisch war das Modell Zwölfeckhaus jedoch zum Scheitern verurteilt. So wurde Zumpe der erste Platz für DDR-Architektur verwehrt. „Die großen Baupolitiker meinten, es sei eine Konkurrenz zum staatlich verordneten Plattenbau“, erklärt Zumpe. So blieb es bei sieben Häusern – einzig im Rödertal. Eine Weiterentwicklung machte Zumpe nur noch für das Papier. Noch heute leuchten seine Augen, wenn er auf seinen nie realisierten Entwurf mit modifizierten Grundrissen und größeren Gebäudehöhen für den Dresdner Stadtteil Gorbitz schaut. „Statt dessen wurden diese Burgen von Zigarrenkisten gebaut…“ Zumpe schmunzelt und erzählt, wie er ab und zu noch zu „seinen“ Zwölfeckhäusern fährt, reinschaut und auch mal ein Schwätzchen mit Bewohnern hält.