Von Nadja Laske
Die Spuren seiner Ahnen sind klar, wie das lang vermisste Sonnenlicht über dem Loschwitzer Familiensitz. Hans-Christian Hoch wohnt dort, wo einst sein Urgroßvater zu Hause war. Vor genau 160 Jahren wurde er geboren und starb Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Von Zeit zu Zeit aber wird der Mann wieder lebendig.



Wenn Hans-Christian Hoch durch die Villa Rosenhof am Elbhang wandelt, begegnen ihm zahllose Zeichen seiner Vorfahren: Im farbigen Fensterglas des Flurs, das das Familienwappen zeigt, im Relief und auf Malereien an der Wand des Treppenhauses, auf Fotos im Arbeitszimmer und Bildern im Salon. Von einer Zeichnung schaut ein gelockter Jüngling, Feder am Hut, das Kinn gehoben, mit prüfendem Blick. Es ist der junge Clemens Freiherr von Hausen in Verkleidung. Mag er einen Soldaten geben oder einen Bauernsohn, Hans-Christian Hoch weiß es nicht genau. Sicher aber kann er sagen: Das ist sein Urgroßvater, verewigt auf nichts Geringerem als dem Fürstenzug.
Ein unvergesslicher Moment
„Er war mit Wilhelm Walther befreundet, dem Künstler, der das Sgraffito geschaffen hat, und stand ihm Modell“, sagt er. Eine originale Arbeitsskizze hängt gerahmt im Haus, ein Geschenk von Walther an den Freiherrn. Wie es zu der Freundschaft kam, ist dem Urenkel noch ein Rätsel. War der eine doch ein nicht eben reicher Professor an der Königlichen Kunstakademie und 27 Jahre älter als der andere – ein Mann von Adel, Offizier und gut betucht. Als von Hausen schließlich in den Ruhestand ging, begann er ein Buch zu schreiben, das 1903 erschien: „Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königlichen Schlosse zu Dresden“. Es gilt als das älteste Werk über den Fürstenzug. Vorsichtig nimmt Hans-Christian Hoch den schmalen Band mit vergilbten Seiten zur Hand. Er ist nicht seine einzige Ausgabe. „Wenn ein solches Buch irgendwo im Internet oder in einem Antiquariat auftaucht, kaufe ich es sofort“, sagt der Dresdner Zahnarzt. Seinen Kinder will er jeweils ein Buch vermachen, so wie seine Eltern ihm alle Dokumente zur Familiengeschichte hinterlassen haben.
Das Erlebnis, seinen Urgroßvater auf dem Fürstenzug zu sehen, reicht wiederum in Hans-Christian Hochs eigene Kindheit zurück. „Ich erinnere mich gut an den Nachmittag, als ich mit meiner Großmutter durch die Stadt spaziert bin.“ In der Augustusstraße machten sie Halt, und Maria Elisabeth wies auf den Mann, der hinter Albrecht dem Beherzten hergeht. „Das ist dein Urgroßvater“, habe sie gesagt und Hans-Christian sollte sich der fast feierliche Moment für immer einprägen.
Besonders oft dachte der heute 53-Jährige daran, als Dresden auf sein 800. Jahr zusteuerte und die Festivitäten zum Jubiläum geplant wurden. Da hörte er von dem Vorhaben, den Fürstenzug zum Leben zu erwecken. Eine Handvoll Geschichtsbegeisterter nahm sich vor, die berühmte Bahn der Blaublütigen und ihrer Begleiter nachzustellen. Hans-Christian Hoch wollte dabei sein. Die Historie der Stadt interessierte ihn schon allein wegen der Geschichte seiner eigenen Familie. Und auch am Verkleiden hatte er schon immer Freude. „Als Student habe ich an der Medizinischen Akademie Faschingsfeiern mitorganisiert.“ Statt Tagebücher zu schreiben, wie seine Vorfahren, fotografiert Hans-Christian Hoch leidenschaftlich gern und zeichnet auf diese Weise sein Leben auf. In dieser biografischen Bebilderung tauchen auch Faschingsfotos auf: Hans-Christian Hoch im Römergewand, eine Aufnahme, die er, zumindest dem Habitus nach, zusammen mit seinen damaligen Kommilitoninnen noch einmal nachgestellt hat, einfach zum Spaß. Das Verkleiden gehörte schon zu seinen Kindertagen. „Als unser Haus 1946 von der Roten Armee besetzt wurde, war es beim Auszug ganz wichtig, nur ja die Kiste mit den Kostümen nicht zu vergessen“, berichtet Hoch aus der Familienchronik.
Maßarbeit für 1 500 Euro
Sein Kostüm für das Spiel eines namenlosen Begleiters des beherzten Albrechts hat sich Hans-Christian Hoch extra anfertigen und rund 1.500 Euro kosten lassen. „Es ist annähernd so wie das, welches mein Urgroßvater auf dem Fries trägt, doch welche Farben es hatte, erkennt man darauf nicht.“ Auch die Locken und den Hut hat der Urenkel recht authentisch getroffen. Für Blau und Silber, wie die Farben des Familienwappens, entschied er sich, das Wams zieren die typischen Bourbonischen Lilien, den Hut das Wappen mit drei Rebmessern.
Im Sommer vor knapp sieben Jahren zog Hoch als einer von insgesamt 93 Darstellern plus 44 Pferden durch die Dresdner Altstadt – ein riesiges Ereignis. Heute schlummert sein Kostüm im Fundus auf dem Rochlitzer Schloss. In dessen Nähe hatte der Verein „Der Fürstenzug zu Dresden“ geprobt und an der Ausstattung gearbeitet. Von Zeit zu Zeit zieht Hans-Christian Hoch sein Gewand für Umzüge noch einmal an, schlüpft in die Rolle seines Urgroßvaters und lässt ihn wieder auferstehen, lebendiger, als es den meisten Ahnen vergönnt ist.