Der Corona-Jahrgang geht ab

Meißen. Die Einlasser im Foyer des Theaters kennen kein Erbarmen. Wer zwischen den in gebührendem Abstand stehenden Tischen der Schüler hindurch möchte, muss eine Maske aufsetzen. Freie Platzwahl im Parkett und auf den Rängen? Fehlanzeige. Je drei Stühle bleiben zwischen den Teilnehmern bei der feierlichen Zeugnisausgabe an die Abiturienten des Meißner Gymnasiums frei. Getrennt von ihren Eltern erleben sie die Zeremonie. Die Corona-Auflagen schreiben es so vor.
Techniker Heiko Wolf, der sich von seinem Pult aus um das Licht kümmert, muss an das Ende des Schuljahres im vergangenen Jahr denken. Sachsen stöhnte damals unter einer Hitzewelle. Alle und alles klebten aufeinander. An diesem Donnerstagnachmittag hat dagegen ein kurzer Regenguss für Auffrischung gesorgt. Im Laufschritt eilten einige der jungen Damen über das Pflaster des Theaterplatzes. Die schicken Klamotten sollten nicht nass werden. Da der Abiturball coronabedingt ausfallen muss, gibt es aktuell wenig Gelegenheit, sich in festliche Schale zu werfen.
Das Programm beschränkt sich aus gegebenem Anlass auf das Wesentliche. Die Veranstaltung soll nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Auf den 16-Uhr-Termin folgt 19 Uhr eine zweite Runde. Ein flinkes Klavierstück sorgt für einen schwungvollen Einstieg. Per Mail hatte die Leiterin des Gymnasiums, Heike Zimmer, zuvor bereits die Fakten zu dem Ereignis mitgeteilt. Der Jahrgang habe gekämpft und gewonnen, schreibt sie. Mit zusätzlichen mündlichen Prüfungen schafften alle das Abitur. Der Notendurchschnitt aller Abgänger lag bei 2,1. 15 von 85 Abiturienten erreichten 1, 5 oder besser. Zwei junge Damen legten das Abitur mit 1,0 ab.
Plötzlich ausgebremst
Für ihre Rede muss Heike Zimmer aufgrund der besonderen Umstände vom sonst üblichen Muster abweichen. Eigentlich würde sie den Bogen spannen vom Start in der fünften Klasse - noch im Triebischtaler Ausweichquartier - über acht Schuljahre bis zum jetzigen Abschluss. Üblicherweise wird hervorgehoben, was prägend war für den Jahrgang, was ihn besonders auszeichnet. Die Pandemie allerdings hat alle Pläne über den Haufen geworfen. "Sie hat unsere Lebensgewissheit erschüttert", sagt die Leiterin des städtischen Gymnasiums. Ein Schleier der Unberechenbarkeit sei plötzlich über den Alltag gefallen.
Noch am 12. März, so erinnert sie sich, hätte das Lehrerkollegium die Abläufe für den Rest des Schuljahres besprochen. Zwei Tage später bereits musste für den Lockdown geplant werden. Ab 16. März blieben die Schüler für sechs Wochen zu Hause. Anfangs hätten viele diese Realität nicht wahrhaben wollen, das urplötzliche Ausgebremstsein in einer sonst so schnelllebigen Zeit. Schließlich seien jedoch alle sehr pragmatisch mit der schwierigen Situation umgegangen, so die Chefin des Franziskaneums. Über das Internet wurde ein intensiver Austausch mit Fachlehrern und Tutoren sowie untereinander organisiert. Vielleicht gestaltete sich aufgrund der begrenzten Möglichkeiten und fehlenden Abwechslung das Lernen sogar konzentrierter und intensiver als zu normalen Zeiten.
Für Notebooks und Tabletts gekämpft
Am 20. April kehrten die Zwölfer in ihre Schule zurück. Bereits vier Tage später stand die erste Abiturprüfung auf dem Programm. Insgesamt 85 Jugendliche machten in den folgenden Wochen nach einem ausgeklügelten Plan ihre Abschlüsse. Leiterin Heike Zimmer und ihr Kollegium hatten seit den Osterferien dafür gesorgt, dass die geltenden Auflagen umgesetzt wurden. Der Förderverein spendete einen kompletten Satz Abi-2020-Masken. Über Stühle geknüpfte Absperrbänder sorgten im Schulhaus für getrennte Wege. Die Türen zu den Toiletten standen offen. Niemand sollte unnötig Klinken berühren. Im Vorhinein wurde abgeklärt, welche Schüler zu Risikogruppen zählen, ob sie eventuell allein schreiben oder bestimmte Plätze zugewiesen bekommen müssen. Das Abitur 2020 wird allen nachhaltig in Erinnerung bleiben.
So ganz will Heike Zimmer in ihrer Rede die Zeit vor der Corona-Pandemie dann doch nicht ignorieren. Neben den Standards am Franziskaneum wie der Teilname an Wettbewerben und Wettkämpfen oder den Reisen zu Partnerschulen in aller Welt, gibt es mindestens zwei Spezifika, die zum Jahrgang 2020 zu erwähnen sind. Als erste Klassenstufe erstritten sich die Jugendlichen das Recht, private Tabletts und Notebooks im Unterricht nutzen zu dürfen. Die Skepsis der Lehrer verfloss spätestens mit sich einstellenden Lernerfolgen. Und die Franziskaner zeigten, dass sie sich auch auf anderen Ebenen durchzusetzen wissen. Gegenüber dem Landesamt für Bildung machten sie sich dafür stark, dass ihre Deutsch- und Ethik-Referendarin an der Schule bleiben durfte. Mit etwas Abstand hatten sie letztlich Erfolg. Beste Voraussetzungen also, um nun auch nach der Schule im Leben zu bestehen.
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