SZ +
Merken

Meißen räumt auf

Bau. Etliche Ruinen in der Stadt sollen in diesem Jahr fallen. Kritiker nennen die Abrisswut von Oberbürgermeister Olaf Raschke voreilig.

Teilen
Folgen

Von Ulrike Körber

Meißen hat eine Menge Beinamen: Domstadt oder Porzellanstadt sind dabei die charmanten. Staufalle und Dauerbaustelle die weniger freundlichen. Doch letzterer Beiname trifft. Erst recht in diesem Jahr. 2006 scheint Meißen im Zeichen von Hammer und Abrissbirne zu stehen. Neben den Mammutbaustellen an der B 6 und dem Tunnel steckt die Stadt rund zehn Millionen Euro in die verschiedenen Bauprojekte. Damit steht Meißen im Elbland sehr gut da, so Baudezernent Steffen Wackwitz, der in nächster Nähe keine Stadt kennt, in der so viel und so dauerhaft geschaufelt und gegraben wird. „Das liegt aber daran, dass wir sehr viele Fördermittel aus Sanierungsprogrammen oder dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) und mehr erhalten“, so Wackwitz.

Mit Abriss Schulden abbauen

Einer dieser Förderfonds ist das Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost. Von dort kann Meißen in diesem Jahr mit 647 000 Euro rechnen. Weit mehr als ein Drittel der Summe ist allein für Abrisse gedacht. Da heißt es aufräumen in der Stadt. Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) lässt es krachen: Auf dem Albert-Mücke-Ring werden Plattenbauwohnungen abgerissen. Auf der Großenhainer Straße sollen Häuser fallen, ebenso auf dem Neumarkt. Etliche, oft alte Gebäude, wurden bereits dem Erdboden gleich gemacht. Das Gros davon gehört der Stadtentwicklungs- und Stadterneuerungsgesellschaft (Seeg).

Straßenzüge verlieren Kontur

Genau das ruft die Kritiker auf den Plan, von denen mancher die Abbruchpläne als einziges großes Seeg-Sanierungs-Projekt bezeichnet. Mit dem Abriss wird die Gesellschaft außer unvermietbaren Wohnungen nämlich auch einen Teil ihrer Altschulden – rund 20 Millionen Euro schleppt die Seeg seit 1994 mit – los. Voreilig nennen Bauhistoriker Raschkes derzeitige Abrisswut. „Zumindest würde ich mir wünschen, dass man erfährt, was denn so überhaupt geplant ist und wie sich das Stadtbild in den nächsten Jahren generell entwickeln soll“, so der Architekt Claus-Dirk Langer, der den Abbruch von Ruinen nicht gänzlich verdammt, bestimmte Aktionen wie den Abriss eines Eckhauses am Eingang zur Stadt, an der Uferstraße, jedoch für bedenklich hält. So verlören die Straßenzüge ihre Kontur. In diese Kerbe schlägt auch der Architekt Hermann Schmidt. „Konzeptlos ist es sicher nicht, was Raschke tut, aber der Abriss ist für das gewachsene Stadtbild des über 1 000 Jahre alten Meißens schädlich. Und das bedrückt mich“, sagt er.

Was mancher ein städteplanerisches Desaster nennt, bezeichnet Raschke jedoch als Konsequenz. „Wir setzen jetzt Punkt für Punkt um, was im Stadtentwicklungskonzept bereits seit 2000 festgelegt worden ist“, sagt der OB. „Dabei nehmen wir die Häuser nicht nur vom Markt, sondern versuchen die Fläche zu entwickeln.“ Parkplätze entstehen. An die Stelle des mächtigen Eckhauses an der Wilsdruffer Straße/Neumarkt sollen nach Kanalarbeiten Bäume gepflanzt werden. Auf dem Neumarkt, wo zwei weitere Gebäude fallen, habe bereits ein Investor Interesse angemeldet, so Raschke. Die Lücke am Hahnemannsplatz soll geschlossen werden und so weiter.

Schwung kommt in den Markt

„Ich habe prinzipiell nichts gegen eine solche Bereinigung“, sagt der Vorsitzende des Immobilienstammtisches Andreas Hofmann. „Es ist gut, dass mancher Schandfleck verschwindet.“ Hofmann hofft, dass die Bauaktionen etwas Schwung in den Meißner Immobilienmarkt bringen. „Zumindest sind Wohnungen, von denen aus man statt auf eine Ruine auf Grünflächen sieht, viel leichter zu vermieten.“