Von Peter Anderson
Freie Bürger und SPD haben jetzt im Stadtrat einen Antrag eingebracht, die Internet-Adresse www.meissen.de für Meißen zu sichern. Bislang ist unter dieser sogenannten Domain die Netzseite der Staatlichen Porzellan-Manufaktur erreichbar.
„Der Name muss von der Stadt verwendet werden und nicht von einem Wirtschaftsunternehmen wie der Manufaktur“, sagte gestern der Meißner SPD-Ortsvereinsvorsitzende Matthias Rost. Der von ihm mitverfasste Antrag dürfte frühestens im Juni auf der Tagesordnung des Stadtrats zu finden sein. Die Sozialdemokraten reagieren mit ihrem Vorstoß auf den schwelenden Streit um die Marke Meissen. Zahlreiche Firmen und Vereine fühlten sich bedroht, nachdem sich die Manufaktur Anfang des Jahres die Marke für sämtliche Warengruppen schützen lassen wollte. Nach heftigen Protesten musste die Geschäftsführung den Plan fallen lassen. Trotz des Verzichts verfügt das zu 100 Prozent dem Freistaat gehörende Unternehmen weiterhin über mehr als 70 in Deutschland und der EU eingetragene Meissen-Marken.
Im Stadtrat dürfen Freie Bürger und Sozialdemokraten für ihre Idee mit zahlreichen Unterstützern rechnen. „Wir sind für den Grundsatz, dass unter dem Stadtnamen im Internet auch die Stadt zu finden sein sollte“, sagte gestern der Vorsitzende der ULM-Fraktion Wolfgang Tücks. Dafür sollten sich Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) und Landrat Arndt Steinbach (CDU) stark machen. Die Unabhängige Liste spreche sich zudem dafür aus, Landrat Steinbach in den Aufsichtsrat zu entsenden, damit dieser dort die Interessen der Region besser vertrete, so Tücks.
Zustimmend äußerten sich darüber hinaus die Fraktionsvorsitzenden der Linken Ullrich Baudis und der CDU Falk-Werner Orgus. Der Christdemokrat und Rechtsanwalt schlägt vor, die Internet-Adresse www.meissen.de zu nutzen, um von dort auf die Internet-Seiten der Stadt und der Manufaktur zu verweisen. Ergänzend könnten der Kreis und zum Beispiel die Sparkasse hinzukommen. Ähnlich funktioniere dies bei der Adresse www.bdi.de. Von dort gelange der Nutzer sowohl auf die Seite des Bundesverbandes Deutscher Industrie als auch auf die Seite des Bundesverbandes Deutscher Internisten.
Grundsätzliches Einverständnis signalisierte Martin Bahrmann von der FDP. Allerdings schränkte der Liberale ein, dass zunächst geprüft werden müsse, was rechtlich machbar sei. Die Manufaktur habe sich die Domain vor der Stadt gesichert. Triftige Gründe müssten präsentiert werden, um dies rückgängig zu machen.
Von Meissen-Chef Christian Kurtzke war gestern keine Reaktion zu erhalten. Er befinde sich auf Geschäftsreise in Taiwan, hieß es aus der Berliner-Medienagentur des Porzellan-Herstellers. Bei Kurtzkes Rückkehr aus dem Fernen Osten erwarten ihn neben dem Problem mit der Internet-Adresse weitere unangenehme Nachrichten. Der Focus berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über eine Auseinandersetzung mit Manager Klaus Hipp. Der Wirtschaftsprüfer war im Frühjahr 2013 zu Meissen gestoßen und sollte sich dort um die Finanzen kümmern. Hipp habe sich jedoch geweigert, „die aktuelle Bilanz zu unterzeichnen – und damit für das Zahlenwerk Mitverantwortung zu übernehmen“, heißt es in dem Nachrichtenmagazin. Er sehe sich im Übrigen weiterhin als Geschäftsführer und wolle sich gegen eine Entlassung juristisch wehren. Bekannt geworden waren die finanziellen Problem des Unternehmens durch einen Bericht in der SZ vom 11. April. Die vom Freistaat abgesegnete Strategie Kurtzkes verschlinge bisher durchschnittlich drei Millionen Euro Steuergeld jährlich, hieß es darin. In einem Offenen Brief vom vergangenen Freitag fragt die Bürgerinitiative „Manufaktur in Gefahr“, „ob in diesem Unternehmen solide und seriös gewirtschaftet wird.“ Die bis 2008 langfristig angehäufte Gewinnrücklage und die finanzielle Unterstützung vom Finanzministerium im Höhe von 7,5 Millionen Euro sei aufgebraucht und hätte ein kurzfristiges Darlehen in Höhe von weiteren 7,5 Millionen Euro erforderlich gemacht. Die Partei Die Linke hat angesichts dieser Nachrichten angekündigt, diese Woche im Landtag den Kurs der Staatlichen Porzellan-Manufaktur intensiv hinterfragen zu wollen. „Die neuesten Fehlentwicklungen befördern den von unserer Fraktion schon lange gehegten Verdacht, dass in Meißen faktisch ein Abwicklungsprozess begonnen hat“, sagte der kulturpolitische Sprecher der Linken Volker Külow. Die offenkundige Demontage werde augenscheinlich durch das Finanzministerium gedeckt. Linken-Haushaltspolitikerin Verena Meiwald kritisierte, dass die mangelhafte Informationspolitik der Staatsregierung in der Vergangenheit mehr Probleme produziert als gelöst habe. Der Premier und seine Minister dürften sich nicht länger vor drängenden Fragen wegducken, indem sie pauschal auf Geschäftsgeheimnisse verwiesen. Im Landtag sollen sich auf Initiative der Linken der Kultur- und der Finanzausschuss mit dem Thema befassen.
Im Haus für Viele(s) auf der Dresdner Straße 13 findet heute eine Podiumsdiskussion zu dem Thema statt:
Warum ist die Porzellan-Manufaktur der Schlüssel für die Entwicklung der Stadt? Auf dem Podium nehmen Platz: Ex-Manufaktur-Generaldirektor Reinhard Fichte, Patentanwalt Hans-Jürgen Creutz, Ex-Mitgesellschafter von Arite Porzellan Erhard Ruhnau. Die Moderation übernimmt der Entertainer Bernd Warkus. Die Diskussion beginnt 16.30 Uhr.