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Mieterin klagt über Leichengestank

Tagelang lag eine Frau tot in ihrer Wohnung. Erst als es roch, wurde die Tote entdeckt. Jetzt wollen die Mieter wegen des Gestanks weniger Miete zahlen.

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Sabrina Krause fühlt sich von ihrem Vermieter, der Gagfah, im Stich gelassen. Seit Montag stinkt es in ihrer Wohnung so unerträglich, dass die 19-Jährige ihre Sachen geschnappt und ein Notquartier bei Verwandten bezogen hat. „Es ist einfach nur noch eklig“, sagt die junge Frau, die im vierten Monat schwanger ist. Mehrmals habe sie sich wegen des Geruchs übergeben müssen. Sabrina Krauses Nachbarin hatte sich Mitte August in ihrer Wohnung das Leben genommen. 14 Tage lang lag die 33-Jährige tot in den eigenen vier Wänden. Erst am vergangenen Montag bekam die Polizei einen Hinweis des Mieters, der unter der Toten wohnt. Er wunderte sich über die Maden, die in seine Wohnung gekrochen waren. Als die Polizei Montagnacht die Tür öffnete, schlug den Beamten ein Gestank entgegen. Maden krochen überall umher.

Seitdem weiß auch Sabrina Krause, dass sie tagelang Tür an Tür mit einer Leiche wohnte. Dass sie ihre Nachbarin 14 Tage lang nicht zu Gesicht bekam, habe sie nicht gewundert. Mit der Frau habe sie kaum Kontakt gehabt, sagt sie. Sie sei sehr zurückhaltend gewesen.

Der Gedanke daran, dass sich in der Nachbarwohnung jemand das Leben genommen hat, macht Sabrina Krause immer noch zu schaffen. Deswegen möchte sie keine Sekunde länger in ihrer Wohnung bleiben. Bei der Gagfah hat sie deshalb am Dienstag ihren Mietvertrag gekündigt.

Doch die zeigt sich wenig hilfsbereit. Sie pocht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist von vier Monaten. „Die Gagfah zeigt kein Entgegenkommen“, kritisiert Sabrina Krause. Auch ihre Frage nach Mietminderung sei pauschal abgewiesen worden. Gagfah-Sprecherin Bettina Benner begründet das damit, dass das Unternehmen „sofort“ gegen den Geruch tätig geworden sei. Sabrina Krause widerspricht: Nachdem die Gagfah am Dienstag von dem Gestank erfahren habe, sei erst einmal nichts geschehen. „Die haben uns drei Tage alleingelassen“, erzählt sie. Zwar hatte die Polizei noch am Dienstag einen Schädlingsbekämpfer in die Wohnung geschickt, doch der Gestank blieb. Über Lüftung, Kabelschächte und Türritzen zog er in alle Wohnungen im Haus. Mehrere Mieter klagten über schwere Kopfschmerzen. Wer konnte, flüchtete – wie Sabrina Krause – zu Verwandten oder Freunden.

Die, die blieben, mussten sich notdürftig selbst helfen. Sie klebten die Schächte ab und öffneten im Treppenhaus die Fenster. Trotzdem setzte sich Verwesungsgestank in Tapeten und Textilien fest. „Ich muss mir neue Klamotten kaufen, weil der Geruch überall drinsteckt“, sagt Sabrina Krause. Erst gestern schickte die Gagfah eine Spezialfirma vorbei, um den Geruch zu beseitigen. Tobias Winzer