Eine Atombombe für den Königstein

Die Bombe fliegt. Neun Megatonnen Sprengkraft. Mit einem Feuerball, fünf Kilometer groß, würde das Verderben in die Welt schießen. 70.000 Menschen würden rund um das Epizentrum auf der Stelle sterben. Selbst im 25 Kilometer entfernten Dresden wären Verbrennungen dritten Grades zu befürchten. Doch die Bombe ist hohl. Ihr Flug auf den Zinken eines Gabelstaplers führt ins Museum, ins Neue Zeughaus der Festung Königstein.
Je dicker die Mauern, desto mächtiger die Waffen sie zu brechen. Die Geschichte der Schutzbauten und ihrer Überwindung ist schier endlos. Was bisher geschah, will das Militärhistorische Museum Dresden demnächst auf dem Königstein erzählen. Trotz Corona, so meldet Museumssprecher Hauptmann Fabian Friedl, liegt der Aufbau der neuen Ausstellung im Zeitplan. Am 6. Juni soll Eröffnung sein, Änderungen vorbehalten. "Je nach Entwicklung der Gesamtlage müssen wir unsere Planungen anpassen."

Das Dresdner Militärmuseum bestückt seit jeher Räume der Festung mit Exponaten. Die alteingesessene Schau im Neuen Zeughaus war vor sieben Jahren geschossen worden. Bereits damals wurde am neuen Ausstellungskonzept gearbeitet. Mit der Umsetzung konnte jedoch erst 2018 begonnen werden, sagt Hauptmann Friedl, wegen umfangreicher Bau- und Sanierungsmaßnahmen und anderer Ausstellungsprojekte.
Die neu gestaltete Schau trägt den Titel "Faszination Festung". Sie umfasst zwölf Themenkabinette und mehr als zweihundert Exponate. Ganz wie im Dresdner Haupthaus geht es auch auf dem Königstein nicht um bloße Waffenschau, sondern um die Kulturgeschichte der Gewalt. Die Festung ist dafür wie gemacht, ein Exempel für den Einfallsreichtum des Menschen, sich vor Gewalt zu schützen, aber auch dafür, Gewalt auszuüben.

Ihren Roten Faden spannen die Ausstellungsmacher unter dem bewährten Chefkurator Gorch Pieken von der Jungsteinzeit bis hinein ins 21. Jahrhundert. Sie betrachten Festungen nicht nur als Schutzschilde, sondern auch als Instrumente der Machtdemonstration und der Kontrolle von Land und Leuten, als Kulisse für Romantik und Träumerei und als Orte des Gefangenseins und des Massenmords.
Folglich werden dem Betrachter beim Rundgang ganz verschiedene Schutzbauten begegnen. Die mittelalterliche Wartburg bei Eisenach etwa, und das Märchenschloss Neuschwanstein, die Grabenlandschaften des Ersten Weltkiegs und das KZ von Theresienstadt, die Berliner Mauer und das Feldlager Mazar-i Sharif in Afghanistan.

Mit dem Erfindergeist, Festungen zu bauen und zu verteidigen, haben die Einfälle, wie sie einzunehmen oder zu zerstören seien, allzeit Schritt gehalten. Auch das demonstriert die Schau, mit Mörsern, Kanonen und Bomben. "Die Rüstungsspirale endet letztlich bei den Kernwaffen", sagt Hauptmann Friedl, "gegen die es nahezu keinen Schutz gibt."
Hier kommt die Bombenhülle vom Gabelstapler ins Spiel. Sie gehört zur amerikanischen Wasserstoffbombe Typ Mk/B 53-1, im Kalten Krieg die mächtigste Waffe im US-Atomarsenal, fast 700 mal mächtiger als jene, die auf Hiroshima fiel. Etwa 340 Stück sollen davon produziert worden sein. Das Kapitel zu diesem Exponat heißt denn auch sinnfällig "Atomarer Overkill".
Die B 53 kreiste mit den Bombenflugzeugen des Strategischen Luftkommandos in den Wolken, um einen sowjetischen Atomschlag postwendend zu vergelten. Dabei waren auch diese Waffen gegen Festungen gerichtet. Mit ihren furchtbaren Druckwellen sollten die "Bunker Buster" die tief in der Erde eingegrabenen Befehlsstellen des Warschauer Paktes vernichten.

Die mit über dreieinhalb Metern Länge gigantische - doch nun völlig harmlose - Bombenhülle diente einst den amerikanischen Streitkräften zum Training. Sie ist eine Dauerleihgabe des Museums für Nuklearwissenschaften Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico. Im Dresdner Militärmuseum war das Monstrum bereits 2016 zu sehen, während der Sonderschau "Achtung Spione".
Ein Neuling im Museum ist hingegen "Mantis". In der Truppe sagt man Luft-Nahbereichs-Flugabwehrsystem dazu. Die Bundeswehr hat es sich 2013 zum Schutz ihrer Feldlager bei Auslandseinsätzen angeschafft. Geleitet von Radarsensoren feuern die Revolverkanonen der Waffenschmiede Rheinmetall tausend Schuss pro Minute ab.

Diesen Mittwoch ist ein Mantis-Geschützturm auf dem Königstein eingetroffen. Handlich zerlegt. Das lässt sich machen, weil er ein Präsentationsmodell ist und größtenteils aus lackiertem Holz besteht. Das echte Geschütz hätte mehr als fünf Tonnen gewogen, sagt Museumssprecher Friedl, "was allein aus Gewichtsgründen im Neuen Zeughaus nicht umsetzbar gewesen wäre."
Davon abgesehen will die Armee ihre neuen Waffen nicht gleich wieder ins Museum stellen. Auch High-Tech-Krieger in High-Tech-Festungen sind verwundbar. Mantis bekämpft die Bedrohungen, die Drohnen, die Marschflugkörper, die Miniraketen und Mörserprojektile. Der Wettlauf geht weiter.