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Milliardäre in Kamenz

Für die einen sind es einfach nur Münzen und Postkarten. Für die anderen erzählen sie spannende Geschichten. So wie in Kamenz.

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Von Bernd Goldammer

Im Saal der Kamenzer Bildungsgesellschaft am Flugplatz wurde Sonnabend sogar mit Milliarden gehandelt. Die Sammlerbörse hatte hier Station gemacht – und Ansichtskarten, Briefmarken, Orden und eben auch Münzen und historische Geldscheine waren zu haben. Und mittendrin auch etliche ganz besondere Stücke.

Von Beginn an herrscht Hochbetrieb. „Früher Vogel fängt den Wurm“, auch für Sammler scheint das alte Sprichwort zu gelten. Klaus Maschke, der sich extra aus Cottbus auf den Weg gemacht hat, gehört zu den ersten Besuchern. Er befasst sich mit Münzen und Geldscheinen. Und verrät: „Ich bin mehrfacher Milliardär…“ Aber mit einem Sicherheitsdienst muss er sich nicht umgeben. Der Wert seiner Scheine ist nur für Besucher mit gutem Geschichtswissen zu erkennen. Und ein bisschen Einfühlungsfantasie ist auch erforderlich. Erst dann können die Zeiten überhaupt verstanden werden, in denen diese Geldscheine ihre Hauptrolle spielten. Die bittere Not der Inflationszeit in den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts. Mit ihren milliardenschweren Tageslöhnen mussten die Leute damals zum Bäcker eilen, um wenigstens noch ein Brot dafür zu bekommen. Bevor der Geldschein binnen weniger Stunden schon wieder nur noch die Hälfte wert war; oder noch weniger…

Wobei nicht jeder Münzsammler gern für Pressefotografen posiert. Hinter vorgehaltener Hand nennen sie verständliche Gründe: Seit einige Europäer am Fortbestand des Euro zweifeln, wird nach alternativen Wertanlagen gesucht. Nachfrage entsteht und die Preise für werthaltige Münzen ziehen an. Verrückte Einbrecher kann das auf ziemlich irre Gedanken bringen. „Ich habe gerade Nachrichten erhalten, dass die AfD für den Ausstieg aus dem Euro plädiert, ihre Zustimmungswerte sind gestiegen – ob die Leute ahnen, auf welches Spiel sie sich einlassen?“, erzählt Klaus Maschke einem Sammlerkollegen. Der zuckt mit den Schultern als wollte er sagen: „So war es doch immer…“ Der Sammlerkollege wechselt das Thema. Er sei schon lange auf Postkarten umgestiegen. Diese erzählen ihre Geschichte ziemlich genau. Weil sie menschliche Gedanken transportieren. „Nicht nur die Fotografien faszinieren mich, auch das, was ihre Absender sich mitteilen, ist hochinteressant“, beschreibt Jürgen Winter aus Zwenkau. Und er zeigt auf eine Karte: Ein junger Leutnant schreibt Mitte der 1930er Jahre einem „Fräulein“ in Berlin auf einer Forstfestpostkarte mit zahlreichen Hakenkreuzfahnen, dass er wetterbedingt in der Kamenzer Kaserne festhänge und deshalb den Ausflug an den Wannsee leider absagen müsse. Auf einer anderen Postkarte wird vom „Kamenzer Blütenmeer“ geschrieben, das ein Soldat in Kamenz auf seinem ersten Ausgang entdeckt hat. „Dort müssen wir unbedingt mal zusammen hinfahren“, schreibt er an eine Frau in Leipzig im Jahre 1939. Ob dieser Plan je aufgegangen ist? Niemand weiß es, aber Kamenz war als Traumziel der Liebe deutlich erlebbar. Jürgen Winter hat seine riesige Postkartensammlung fein säuberlich nach Städten sortiert. „Die Dresden-Postkarten bewegen mich ganz besonders – weil man sehen kann, wie leicht Menschen in die Waffenspiele geraten und dass es am Ende nur Verlierer gibt“, sagt er.

Ein spannendes Stück Geschichte.