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Mini-Eulen verstecken sich im Heidelbachtal

Ulrich Augst trickst. Der Mitarbeiter für praktischen Arten- und Biotopschutz im Nationalpark Sächsische Schweiz ist heute im Heidelbachtal bei Hinterhermsdorf ein Baummarder. Nicht wirklich, versteht sich: Augst klettert keinen Stamm hoch und hat auch kein Fell über den Kopf gezogen.

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Von Lars Kühl

Ulrich Augst trickst. Der Mitarbeiter für praktischen Arten- und Biotopschutz im Nationalpark Sächsische Schweiz ist heute im Heidelbachtal bei Hinterhermsdorf ein Baummarder. Nicht wirklich, versteht sich: Augst klettert keinen Stamm hoch und hat auch kein Fell über den Kopf gezogen. Aber er imitiert auf eine ganz spezielle Weise dieses Raubtier – um den Raufußkauz aus seinem Versteck, einer ausgedienten Schwarzspecht-Höhle, zu locken. Mit Erfolg: Die Mini-Eule guckt forschend aus ihrem Nest. Droht Gefahr?

Dieses Mal ist es nur der neugierige Journalist, der fasziniert auf den hellen, gefiederten Kopf starrt, als der so plötzlich auftaucht. Wäre da kurz vorher nicht noch ein dunkles Loch gewesen, würde man das Raufußkauz-Weibchen wohl kaum wahrnehmen – so gut ist es durch seine Federkleid-Färbung getarnt. Wie Ulrich Augst genau den Vogel überlistet hat, will er natürlich hier nicht lesen. Aus Angst vor zu vielen Nachahmern.

Raufußkäuze zählen zu den kleinsten Eulen in der Sächsischen Schweiz. Kleiner ist nur noch der Sperlingskauz. Der lässt sich allerdings nicht so einfach aus seiner Nisthöhle locken. Dafür sitzt er liebend gern in den Baumwipfeln, immer an der höchsten Stelle. „Er präsentiert sich regelrecht“, erzählt Augst. Rein äußerlich sind beide Vögel zum Verwechseln ähnlich. Nicht so für den Experten Augst. Raufußkäuze seien etwa amsel- und Sperlingskäuze nur starengroß, der Unterschied betrage lediglich sechs bis acht Zentimeter. Auch bei der Kopfform offenbaren sich beim genauen Hinsehen feine Unterschiede: Beim Raufußkauz mit seinem verwaschenen braun-weiß-gefärbten Gefieder ist der runde, große Kopf charakteristisch, der Sperlingskauz (Augst: „Das Gefieder ist längs gefleckt und quer gebändert.“) hat einen flachen Scheitel und sein gelber Schnabel fällt viel mehr auf. „Außerdem stelzt er mit dem Schwanz, wenn er aufgeregt ist“, sagt der Sebnitzer.

Der Raufußkauz höre dagegen durch seine asymmetrischen Ohren besser: Eines ist zur Seite und eines nach vor ausgerichtet. Durch den 90-Grad-Winkel entgeht ihm nichts, wenn er seinen Kopf dreht: im Gegensatz zum Menschen bis zu 270Grad. „Sie sehen quasi mit den Ohren“, erklärt der Nationalpark-Mitarbeiter. Müssen sie auch, wie sonst sollen sie die Rötelmäuse im Wald in der finstersten Nacht finden? Der Sperlingskauz mag es nicht ganz so dunkel, er ist deshalb lieber tagsüber aktiv. Auf seiner Speisekarte stehen auch viel mehr Vögel als bei seinem Kauz-Bruder.

Weil beide Klein-Eulen nur ganz schwer zu sehen sind, sollten Wanderer bei der Suche vor allem ihre Ohren benutzen. Denn die Ruftöne seien eindeutig, betont Augst. Sogleich flötet er vor, was er meint. Schnell hintereinander, mit vier bis zehn Wiederholungen erklingt bei der Raufußkauz-Imitation ein in Klang und Lautstärke ansteigendes „uuü“-Konzert. Im Gegensatz zum Sperlingskauz: Das ist es mehr ein lauter „üüü“-Pfiff, hintereinander vorgetragen, aber unterbrochen von kurzen Pausen.

Wie groß der Bestand im Nationalpark ist, kann Augst nicht genau sagen. Gezählt werden die Mini-Eulen nicht wirklich. Lediglich die bekannten Brutplätze der Raufußkäuze werden seit der Nationalparkgründung vor 20Jahren regelmäßig kontrolliert. Die festgestellte Population schwankt. In einem normalen Jahr schätzt der 52-Jährige das Vorkommen auf drei bis fünf Brutpaare. In einem guten könnten es sogar bis zu 15 sein, in einem schlechten dagegen auch mal gar keines. Die Anzahl ist abhängig vom Nahrungsangebot. Gibt es viele Mäuse, gibt es viele Käuze.

Nach der Brut bleibt ein Großteil der Männchen in der Region, die Weibchen aber ziehen weiter. Mitunter große Strecken. „Es wurde schon nachgewiesen, dass ein hier beringtes Weibchen bei München gebrütet hat“, sagt Augst und ergänzt: „Im gleichen Jahr.“

Von den Sperlingskäuzen dürften geschätzte zehn bis zwölf Paare im hiesigen Nationalpark leben. Ihren Bestand nachzuweisen, sei aber deutlich schwieriger. Doch eines weiß Augst mit Sicherheit: „Sperlingskäuze sind ganz schöne Draufgänger und fangen auch größere Vögel. Die Käuze hängen dann an ihnen wie ein Propeller und kommen kaum von Ast zu Ast.“

Der nächste Beitrag erscheint am 17.Juli.

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