Von Christine Marakanow
„Seit über die sozialen Veränderungen durch Hartz IV diskutiert wurde, haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie man Mietschulden verhindern kann“, sagt Gerd Kolley, Chef der Wohnungsbaugesellschaft (WBG). „Aber da die Hartz-Gesetzgebung offensichtlich mit der heißen Nadel gestrickt worden war und die, die das umsetzen sollten, bis zum Schluss mitunter selbst nicht wussten, wie was geregelt wird, haben wir nun das Problem Mietschulden auf dem Tisch.“ 62 Haushalte seien die Miete im Januar und Februar schuldig geblieben, resümiert Gerd Kolley. In 15 Fällen wisse die WBG, dass dies mit Hartz IV zusammenhängt. In den anderen Fällen nicht. Laut Geschäftsführer, habe sich die WBG „sehr zeitig mit den möglichen Folgen beschäftigt“. Im Herbst vergangenen Jahres wurden 370 Gespräche mit Mietern geführt über die Themen „Umzug in kleinere Wohnungen“ und „Abtretungserklärung“. Die WBG half auch beim Ausfüllen von Alg II-Anträgen. Rund 170 Mieter haben eine Abtretungserklärung unterschrieben und wollten regeln, dass die Kosten der Unterkunft (KdU) gleich an die WBG überwiesen werden. Nur konnte die Gesellschaft damit nichts anfangen. Denn ohne triftigen Grund durfte die Arbeitsgemeinschaft (Arge) „Dienstleistungszentrum für Arbeit Görlitz“ nicht so verfahren.
Eberhard Nagel, Chef der Arge, bestätigt, dass sich an dieser Regelung nichts geändert hat. Denn die Empfänger von Arbeitslosengeld II sollen nicht pauschal als Mietschuldner verdächtigt werden. Doch wenn nachgewiesen werde, dass die Kosten der Unterkunft nicht an die Vermieter bezahlt wurden, könne mit der Abtretungserklärung gearbeitet werden.
GWG nicht betroffen
Die Görlitzer Wohnungsgenossenschaft (GWG) und die Wohnungsgenossenschaft (WGG eG) haben in dieser Woche Gespräche mit der Dienstleistungsgesellschaft. Der Tenor bei beiden ist, dass man noch keine Zunahme des Mietschuldenproblems habe, aber es auch nicht so weit kommen lassen wolle. Einige Mieter hätten später Miete gezahlt, aber sie hätten immerhin gezahlt.
Zu Gesprächen bereit
Alle hier genannten Großvermieter versicherten, dass sie zu Gesprächen mit Mietern bereit sind, die Schwierigkeiten mit der Mietzahlung haben. Sie würden auch Ratenzahlungen vereinbaren. Aber keiner könne auf das Geld verzichten. Und wo keine Miete käme, seien Räumungsklagen unverzichtbar. Die WGG eG hatte im vergangenen Jahr fünf Räumungsklagen gegen säumige Mieter angestrengt. „Das Problem war, die Betroffenen haben nicht mit uns geredet“, sagt Karl-Heinz Jungmichel, geschäftsführendes Vorstandmitglied der Genossenschaft. Er hatte Fraktionen des Görlitzer Stadtrates zum Mietschulden-Thema angeschrieben. „Reagiert haben die Bürger für Görlitz und die PDS“, sagt Jungmichel.
Die Wohnungsbaugesellschaft ist sogar bereit, jemanden im Rahmen eines Ein-Euro-Jobs zu beschäftigen, der mit Mietern über deren Probleme spricht.
Noch keine Obdachlosen
Es gab 2004 nicht nur bei der WGG Räumungsklagen, auch bei der Wohnungsbaugesellschaft. Hier waren es 27. Wo sind die Mieter geblieben? Görlitz gehört zu den Städten, die offiziell keine Obdachlosen hat. „Sie sind alle in Wohnprojekten der Stadt untergebracht worden“, antwortet Renate Strenger. Nach Informationen der Sozialamtsleiterin wurden diese Hilfesysteme für Einzelpersonen und Familien Mitte der 90er Jahre aufgebaut. Die Wohnstätte an der Rothenburger Straße, die jetzt ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt ist, sowie Plätze im Betreuten Wohnen und Notunterkünfte in Wohnhäusern.
Dass die sozialen Probleme zugenommen haben, kann Monika Neugebauer vom Görlitzer Arbeitslosenverband am steigenden Beratungsbedarf ablesen. „Die Zahl derer, die nicht mehr wissen, woher sie das Geld für Notwendiges nehmen sollen, wächst“, sagt sie.