Ins Stadtbad führt auch eine Rampe. Bisher ist mir das noch nie aufgefallen. Doch seit fast neun Monaten spielt die Rampe eine wichtige Rolle in meinem Leben. Der Grund: Ich bin Mutter geworden. Und wer mit dem Kinderwagen unterwegs ist, sieht die Welt plötzlich mit ganz anderen Augen.

Mittwochs gehen mein Sohn Emil und ich zum Babyschwimmen ins Stadtbad. Mit etwas Glück haben wir einen der begehrten Plätze in dem Kurs bekommen. Denn in der Muldestadt scheint es zurzeit einen wahren Babyboom zu geben. Im vergangenen Jahr hat die Stadtverwaltung 195 Geburten registriert, so viele wie in den letzten fünf Jahren nicht. Gut, dass das Bad babytauglich ist. Die Doppeltür am Eingang öffnet sich automatisch. Mit dem Fahrstuhl gelangen wir nach unten zu den Umkleidekabinen. Sowohl hier als auch oben bei den Becken ist jeweils ein Wickeltisch vorhanden.
Umziehen, duschen und dann ab ins 32 Grad warme Lehrschwimmbecken. Kaum sind wir im Wasser, fängt Emil wie wild an zu zappeln. Nach über einer halben Stunde planschen, kurz tauchen und spielen geht es zum Abschluss noch ins Wärmebecken. Angestrengt vom Baden fallen Emil fast die Augen zu. Doch als wir nach dem Schwimmen nicht nach Hause fahren, sondern noch einmal in die Stadt gehen, ist die Neugier größer. Interessiert verfolgt mein Sohn, wie ich bei der Sparkasse Kontoauszüge hole. Der Weg zum Automaten ist kein Problem, die Tür am Eingang an der Breitscheid-Straße öffnet automatisch. Barrierefrei zugänglich sind auch die Hauptfiliale der Sparkasse sowie die der VR-Bank Mittelsachsen.
Viele Geschäfte auf dem Niedermarkt sind ebenerdig zugänglich, nur wenige haben eine Stufe. Auch die Drogerie Rossmann kommt ohne Hürde aus. „Das Geschäft ist sehr familienfreundlich“, findet Ulrike Schade. Erst vor gut einer Woche ist ihr Sohn Henry zur Welt gekommen. Die Familie macht ihren ersten Spaziergang mit Kinderwagen durch die Stadt. Hindernisse seien ihnen bisher noch keine aufgefallen, sagt Henrys Vater.
Baby-Brei edel serviert
Mit dem Kinderwagen hinein komme ich auch in das Henwi-Kaufhaus an der Bäckerstraße. Aber hoch geht’s nur mit der Rolltreppe, ins Untergeschoss über eine normale Treppe. Ich frage die Verkäuferin nach einem Fahrstuhl. „Ja, warten Sie. Ich komme mit“, sagt sie. Wir verlassen das Kaufhaus am Eingang Bäckerstraße, gehen nebenan erneut in das Gebäude hinein. Mit dem Fahrstuhl fahren wir nach unten in den Flurbereich. Um zurück ins Kaufhaus zu kommen, muss die Verkäuferin an der Hintertür anklopfen. Da uns niemand öffnet, geht sie selbst den Weg zurück und macht die Tür von innen auf. Ich glaube, das nächste Mal nehme ich das Angebot der Frau an, kurz auf Kind und Wagen aufzupassen, und nehme schnell die Treppe.
Emil bekommt Hunger. Zeit zum Essen. Den Brei habe ich in der Tasche, er muss nur noch aufgewärmt werden. Ich versuche es in der Bäckerei Möbius. Zuerst schaut die Verkäuferin mich ein bisschen verunsichert an, nimmt dann aber das Glas und verschwindet damit in der Küche. Emil und ich suchen uns einen Tisch. Nach zehn Minuten bringt eine andere Mitarbeiterin den Brei, edel serviert in einer Suppenschale mit Unterteller und Löffel. Wir sind begeistert. Nach dem Essen braucht Emil eine frische Windel. Aber ein Wickelplatz fehlt in der Bäckerei.
Über den Robert-Tümmler-Steg laufen wir zum Kaufland. Mit dem Fahrsteig gelangen wir nach oben zu den Toiletten. Tatsächlich, in der Behindertentoilette ist ein Wickeltisch. Alles ist sauber und ordentlich. Im Notfall kann man sich sogar Windeln und Feuchttücher an der Information besorgen, verspricht zumindest ein Schild. Um Emil zu windeln, hätte ich die Innenstadt allerdings gar nicht verlassen müssen. Wie ich später von Stadtsprecher Thomas Mettcher erfahre, gibt es auch in der Stadtinfo am Obermarkt einen Wickelraum. Babyfreundlich ist auch der Aufzug, der nachträglich ans Rathaus gebaut worden ist. „Früher musste man den Kinderwagen unten stehenlassen und mit dem Kind auf dem Arm in die jeweilige Abteilung gehen“, erzählt Thomas Mettcher.
Kind im Wagen durchgeschüttelt
Mit frischer Windel am Po geht es weiter zum Einkauf. Das Nötigste bekommen Eltern inzwischen in fast jedem Supermarkt. Nur extra breite Eltern-Kind-Parkplätze und Einkaufswagen für die Babyschale, wie bei Lidl und Marktkauf, sind nicht überall vorhanden. Bei Netto und Penny ist beides nicht zu finden, bei Aldi und Kaufland zumindest die Wagen, bei Edeka wenigstens die Parkplätze.
Zurück in der Innenstadt treffen wir auf Kathrin Wokittel mit Tochter Juline im Kinderwagen. „Döbeln ist babyfreundlich“, sagt die Mutter. Es gebe viele passende Geschäfte, die meisten liegen im Zentrum. Nur das Pflaster störe sie etwas, weil die Kinder im Wagen ziemlich durchgeschüttelt werden. Auch, dass Ernstings Family nach dem Umzug auf den Obermarkt nur noch über zwei Stufen zu erreichen ist, bemängelt sie. „Letztens hat die Oma draußen gewartet“, so Kathrin Wokittel. Ich bin wagemutig und ziehe den Kinderwagen die beiden Stufen ins Geschäft hoch. Wir schaffen es ohne Unfall hinein und auch wieder heraus. Leicht war es aber nicht. Hilfe wurde uns leider keine angeboten.
Es bleibt aber die einzige schlechte Erfahrung, die wir an diesem Nachmittag in Döbeln machen. Auch wir finden, dass die Stadt babyfreundlich ist. Von unserer Tour so begeistert, hat mein Sohn glatt seinen Mittagsschlaf vergessen. Erst im Auto dämmert er langsam ein.