Von Christian Dittmar
Vor gut einem halben Jahr marschiert ein älterer Herr in das rote Klinkergebäude des Görlitzer Landgerichts. Als er durch die Sicherheitschleuse hinter der Eingangstür will, fängt der Metalldetektor an zu piepsen. Die Polizeibeamten durchsuchen den Mann und finden – ein Fleischerbeil.
Dieser Fall aus dem Kuriositätenkabinett wäre vermutlich nie entdeckt worden, wenn nicht Ende 2009 die Sicherheitsvorkehrungen in Sachsens Justizgebäuden drastisch verschärft worden wären. Als Reaktion auf den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini, die im Juli 2009 im Landgericht Dresden von einem Russlanddeutschen erstochen wurde, ließ das sächsische Justizministerium sein Sicherheitskonzept für die eigenen Gerichte überarbeiten. Aus dem bisherigen Laisser-faire, bei dem höchstens stichprobenartig in einigen Gerichtsgebäuden die Besucher überprüft wurden, sollte nun eine dauerhafte Zugangskontrolle mit Sicherheitsschleusen wie am Flughafen werden. „Seitdem hat sich die Sicherheit in den Justizgebäuden deutlich erhöht“, behauptet Justizminister Jürgen Martens (FDP). Denn die Zugangskontrollen schützten Besucher und Mitarbeiter der Justiz gleichermaßen und seien unverzichtbar, meint Martens. Vorgeschrieben sind sie trotzdem nicht. „Ob sie erfolgen, entscheidet der jeweilige Präsident, Direktor oder Behördenleiter“, erklärt Martens Sprecherin Birgit Esser-Schneider.
Stöcke und Elektroschocker
Zumindest an den sechs Landgerichten im Freistaat und am Oberlandesgericht in Dresden haben sich aber mittlerweile alle Präsidenten für dauerhafte Sicherheitskontrollen entschieden. Als letztes folgte das Landgericht Bautzen vor drei Wochen, in allen anderen Gerichten wurden schon unmittelbar nach dem Mord an El-Sherbini Zugangskontrollen eingeführt.
Die Sicherheitsschleusen ähneln dabei den Metallkästen an Flughäfen, allerdings laufen die Kontrollen insgesamt weniger professionell ab, betont der Sprecher des Landgerichts Dresden, Ralf Högner. Dafür sorge schon allein die geringe personelle Ausstattung. Zudem können Jacken und Taschen von den Beamten nicht durchleuchtet, sondern nur per Augenschein untersucht werden.
Meistens stellen die Polizisten dabei Waffen wie Messer, Schlagstöcke oder Elektroschocker sicher. Gelegentlich aber müssen die Ordnungshüter schmunzeln, wenn sie Nagelfeilen, Scheren oder Kämme in Gewahrsam nehmen. Theoretisch könnten nämlich auch die Accessoires eines Maniküresets zur tödlichen Waffe werden. Genauso werden auch immer wieder Werkzeuge wie Schraubenzieher oder ein Schmiedehammer wie vor einem Jahr am Landgericht Leipzig sichergestellt. In Görlitz wunderten sich die Beamten im Januar 2011 darüber, dass ein Mann eine Gartenhacke mit in das Gerichtsgebäude nehmen wollte. Doch neben diesen eher harmlosen Gerätschaften finden die Beamten auch immer wieder verbotene Gegenstände wie Totschläger, Reizgas und Schlagringe. Eine dieser Handwaffen nahmen die Beamten im Amtsgericht Weißwasser einem Mann ab, der erklärte, nur einen Blick in das Vereinsregister werfen zu wollen. Beim Amtsgericht Leipzig wurde bei einem Besucher wiederum eine Sense sichergestellt.
Messer zum Schleifen?
Im Gegensatz zu solch gefahrvollem Zubehör händigen die Polizisten unbedenkliche Utensilien wie Schweizer Taschenmesser den Prozessteilnehmern hinterher wieder aus. Auch der Besucher des Görlitzer Landgerichts bekam sein Fleischerbeil am Ende wieder. Er wolle es nach der Visite des Gerichtssaals zum Schleifen bringen, erklärte er den verdutzten Polizisten nach der Entdeckung. Zwei Stunden später gaben sie das Fleischerwerkzeug dem Mann beim Verlassen des Gebäudes zurück. Ob er damit allerdings tatsächlich zum Schleifen ging, ist nicht bekannt. (mit dpa)