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Mit dem Floß nach Hamburg

Unter ihnen Wasser, darüber nur der Himmel: Junge Dresdner brechen zu einer ganz besonderen Reise auf. 

Von Juliane Richter
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Im Sommer wird das Floß „Moment“ ablegen. Ziel: Hamburg. Mission: Die Welt mit anderen Augen erleben.
Im Sommer wird das Floß „Moment“ ablegen. Ziel: Hamburg. Mission: Die Welt mit anderen Augen erleben. © Mara-Leandra Berger

Die Zeit nimmt eine andere Dimension an. Der Sekundenzeiger scheint langsamer zu gehen, ein Tag ist lang, aber nie langweilig. Mara-Leandra Berger und Jan Kollan haben vergangenen Sommer gemeinsam mit anderen mehrere Wochen auf dem Floß „Moment“ gelebt, das von Dresden bis nach Hamburg gefahren ist. Nun fiebern sie der nächsten Tour in diesem Sommer entgegen.

Die Elbe wird für die Studenten Jan Kollan und Mara-Leandra Berger für einige Zeit ihr zu Hause. 
Die Elbe wird für die Studenten Jan Kollan und Mara-Leandra Berger für einige Zeit ihr zu Hause.  © Sven Ellger

Wieder werden sich rund 30 junge Leute beteiligen. Viele davon sind Studenten, andere schon im Berufsleben. Vergangenes Jahr haben sie die „Moment“ eigenhändig zusammengebaut, auch wenn niemand von ihnen wirklich wusste, wie das eigentlich geht. Anlass war der Gedanke an Hamburg, die Verbindung mit der Elbe, die Frage, wie man da wohl am besten hinkommen könnte. Warum nicht in einer ursprünglichen Art reisen, ohne dass die Umwelt belastet wird?

Was als kleines Gedankenspiel begann, ist nach einem dreiviertel Jahr Planung und Arbeit in einem festen Gegenstand geendet. Entstanden ist ein zehn Meter langes und 2,50 Meter breites Floß, das Platz für bis zu zehn Personen bietet. Ob es wirklich schwimmt, geschweige denn fährt, ist bis zu jenem Augenblick, als es am 20. August 2018 spät abends in Zschieren ins Wasser gelassen wird, nicht klar. „Wir haben die beiden Module im Licht der Taschenlampe erstmals zusammengesteckt. Und dann hat es super geknarzt“, erinnert sich der 24-jährige Jan.

Wie baut man eigentlich ein Floß? Vieles haben sich die jungen Leute selbst beigebracht.
Wie baut man eigentlich ein Floß? Vieles haben sich die jungen Leute selbst beigebracht. © Mara-Leandra Berger

Geschwommen ist die „Moment“ trotzdem. Nur in Meißen mussten die 32 blauen Wasserfässer, die das Floß an der Oberfläche halten, noch einmal neu abgedichtet werden. Von da an ging es stetig die Elbe mit dem Strom hinab, in überaus gemächlichem Tempo. Täglich hat die Crew mal 10, mal 20 Kilometer zurückgelegt. Aber nie mehr als 30. In Stress sollte das Projekt für niemanden ausarten. Schließlich war die Fahrt auch irgendwie die Belohnung für die viele Arbeit der vorangegangenen Monate. „Es hat sich eine andere Vorstellung vom Reisen entwickelt. Wir haben so viel erlebt, obwohl man so langsam fährt“, meint Mara.

Dass es oft die kleinen Dinge im Leben sind, die glücklich machen, ist eine Binsenweisheit. Und doch haben sich die Mitfahrer oft genau über solche Dinge gefreut. Etwa beim Sonnenaufgang aufzuwachen, sich einen Kaffee zu kochen und spazierend die Umgebung zu entdecken. Die „Moment“ und ihre Mitfahrer sind mit dem Ziel gestartet, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Alltag auf dem Floß wird deshalb vom Fahren selbst, vom Kochen, der Planung für die Vorräte und vor allem vom gemeinsamen, bewussten Erleben bestimmt. „Aber es ist kein strenger Tagesablauf vorgegeben. Niemand musste bei unserer ersten Fahrt um 7 Uhr aufstehen. Wenn jemand ausschlafen wollte, haben die anderen irgendwann einfach schon abgelegt“, erzählt die 25-jährige Mara. Sie hat das Treibenlassen und das gemeinsame Erleben des Flusses sehr genossen, sieht den größeren Gewinn aber beim eigentlichen Bau des Floßes.

„Das war so spannend zu sehen, wie sich die Gruppe gebildet hat und wie eine Dynamik entstanden ist, wer was macht. Es gab ja keine Anleitung, der wir einfach folgen konnten. Wir mussten uns ganz viel miteinander austauschen“, sagt sie. Allein die Nachricht, einen Bauplatz gefunden zu haben, habe sie drei Stunden erfreut. Auf dem Freigelände einer alten Gärtnerei in Cotta konnten die jungen Leute werkeln und hatten vor allem kurze Wege dorthin.

So komfortabel wird es in diesem Jahr nicht werden. Das leicht ramponierte Floß hat 45 Minuten außerhalb von Dresden überwintert und wird dort in der Nähe fitgemacht für die nächste Tour. Bis zum Juli oder August wollen es die Mitglieder wieder in Schuss bringen. Besonders der Motor hat ihnen zuletzt Sorgen bereitet, hat er doch bei der Premiere zwischenzeitlich spürbar an Kraft verloren.

Bis zur nächsten Abreise wollen die Projektmitglieder auch eine neue Konstruktion bauen, die sie vor Regen und Sonne schützt, zugleich aber so stabil ist, dass sie Wind standhält. Bei der ersten Fahrt hatten sie das Glück, dass das Wetter bis in den September hinein gut war und sie ihre Isomatten abends auf der Liegefläche mit freiem Blick auf den Sternenhimmel ausbreiten konnten.

Bevor es wieder losfahren kann, muss das Floß flott gemacht werden.  
Bevor es wieder losfahren kann, muss das Floß flott gemacht werden.   © Mara-Leandra Berger

Gefehlt hat ihnen in dieser Zeit nichts, meinen Mara und Jan. Auch, wenn sie beide nur einen kleinen Rucksack mit Kleidung und den wichtigsten persönlichen Dingen dabei hatten. In diesem Jahr soll die Route wieder nach Hamburg führen, dieses Mal allerdings mit einem Abstecher in die Saale. „Das wird mit den vielen Schleusen eine neue Herausforderung“, sagt Jan. Organisiert werden muss außerdem wieder ein großer Plan, wann wer auf dem Boot mitfährt, wo aus- und wo zusteigt. Die Gruppe will sich auch für bisher Unbeteiligte öffnen sowie vorsichtig versuchen, Kindern und Jugendlichen diese besondere Form des Reisens zu ermöglichen.

Wer dabei sein will, muss täglich eine kleine Pauschale für Verpflegung und Motortreibstoff aufbringen. Sachspenden wie Rettungswesten oder eine Schiffslampe haben schon bei der ersten Tour sehr geholfen. Für die nächste planen die Macher, mit den Menschen entlang des Flusses noch stärker ins Gespräch zu kommen.

www.flosslassen.de