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„Mit dem Pferdegott gut stellen“

Herr Bothendorf, Sie leiten seit 1992 das wichtigste Gestüt in Sachsen – wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Mein Arbeitstag beginnt früh gegen sechs Uhr mit einem Rundgang durch die Ställe. Dann kontrolliere...

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Herr Bothendorf, Sie leiten seit 1992 das wichtigste Gestüt in Sachsen – wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Mein Arbeitstag beginnt früh gegen sechs Uhr mit einem Rundgang durch die Ställe. Dann kontrolliere ich, ob alle Tiere gesund sind und natürlich – wie jetzt in der Abfohlsaison – ob über Nacht neue Fohlen hinzugekommen sind. Aber vieles ist nicht so aufregend, wie man sich das vielleicht vorstellt. Zu meinen Aufgaben gehören auch viel Büroarbeit und Gespräche mit Kunden und Züchtern.

Gibt es schon viel Pferde-Nachwuchs zur Zeit?

Ich zähle das eigentlich nicht, das habe ich mir abgewöhnt. Ich bin da abergläubisch und fürchte, dass es Unglück bringt. Schließlich möchte ich mich mit dem Pferdegott gut stellen. Aber es werden so 20 Fohlen bei den englischen Vollblütern und 20 bei den Reitpferden sein.

Wie viele Tiere stehen denn bei Ihnen im Gestüt?

Hier stehen 160 Stuten, Hengste und junge Pferde der Reitpferdezucht, die gehören dem Freistaat und privaten Züchtern. Zudem gibt es etwa 80 englische Vollblüter, die verkauft werden oder auf der Rennbahn laufen. Die Zucht gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit 1992 wird sie allerdings als eigener Wirtschaftsbetrieb geführt und von einem Pächter bewirtschaftet.

Weshalb hat der Freistaat auf so eine prestigeträchtige Zucht verzichtet?

Die Zucht wurde aus Kostengründen ausgelagert. Außerdem gab es damals in ganz Deutschland keine solche Vollblutzucht in Staatshand mehr. Das Wichtigste für uns ist heute wie zu Augusts Zeiten die Reitpferdezucht. Wir sorgen für den Hengst-Nachwuchs. Die Tiere bleiben bis zu ihrem dritten Lebensjahr hier, gehen dann nach Moritzburg. Die Stuten werden bei uns ausgebildet, bleiben in Graditz oder werden verkauft, viele in unser Zuchtgebiet.

Wie ist die Nachfrage?

Wir sind natürlich vor allem für die Züchter der Region, aus Sachsen und Thüringen, da. Aber in letzter Zeit beobachten wir ein verstärktes Interesse von Züchtern aus Tschechien und der Slowakei. Auch nach Polen und Österreich haben wir gute Kontakte.

Wann gibt es für Besucher die Möglichkeit, sich das Gestüt näher anzuschauen?

Am 30. Mai veranstalten wir eine Gestütsschau, bei der wir 80 Pferde zeigen, von den kleinen Fohlen bis hin zu den jungen Hengsten. Die Besucher können sich außerdem in den Ställen umschauen oder in dem historischen Park flanieren. Künftig wollen wir auch einen touristischen Rundweg anlegen, der die Besucher noch näher zu den Pferden bringt. Im Jahr kommen etwa 10000 Gäste nach Graditz.

Bisher hat der Freistaat etwa 12 Millionen Euro in die Sanierung investiert. Was steht als Nächstes an?

Viel hat sich schon getan. So ist zum Beispiel der alte Kutschstall, der 1722 erbaut wurde, fertig saniert. Schön sind auch das Schlossgebäude und das Gestütsportal am Eingang geworden. Jetzt fehlt noch der Innenhof, da laufen die Planungen, im nächsten Jahr soll es losgehen. Vielleicht schon in diesem Jahr werden der Hengststall und die Deckstation denkmalgerecht ungebaut.

Gespräch: Christiane Raatz