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Mit der Kohle kamen die Kneipen

Gastwirtschaften haben selten das ewige Leben. Wir erinnern andahingeschiedene,beliebte Einkehrstätten.

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Von Heinz Fiedler

Als im 19. Jahrhundert das Kohlefieber grassiert, ist es im Plauenschen Grund mit der Beschaulichkeit vorbei. Lange Zeit hatten Literaten die Leute im Weißeritztal als weltfremd und schlafmützig beschrieben. Irgendwie, so hieß es, habe man in den Dörfern vor den Toren Dresdens den Anschluss an die Gegenwart verpasst.

Die Kunde von der Entdeckung des schwarzen Goldes erregt die Gemüter. Plötzlich stehen in unserer Gegend die Zeichen auf veränderlich. Ein Schacht nach dem anderen nimmt den Betrieb auf. Industrie breitet sich aus – durch das einst so stille Tal braust die Eisenbahn.

Von überall her strömen Menschen in die Ortschaften des Grundes. Man wittert eine Chance, Anstellung und Arbeit zu finden. Ladengeschäfte werben um Kundschaft, Handwerker sind zu diversen Dienstleistungen bereit. Ein Gewerbe darf in der allgemeinen Aufbruchstimmung nicht fehlen: Mit der Kohle kommen die Kneipen.

Von Garküche bis Wettinburg

Der Stammtisch braucht rund um den Windberg nicht erst erfunden zu werden, er ergibt sich von selbst. Nach Schichtschluss setzen sich Bergleute und Fabrikarbeiter noch auf eine Runde Bier und Korn zusammen.

Gepflogenheiten bilden sich heraus, die längere Zeit Bestand haben. Um 1850 führen Deubener Gewerbetreibende abendliche Kneipentouren ein, die ausschließlich Männersache sind. Nur an den Wochenenden legt man eine Pause ein, damit die Familie nicht ganz zu kurz kommt.

Montags sieht man sich in der Garküche, dienstags zecht man bei Hutschenreuther in der Bahnhofsstraße, mittwochs beehrt man den Reihe-Schank, donnerstags den Sächsischen Wolf, freitags Wagners Oberen Gasthof. Natürlich wird auch die Deubener Wettinburg an der Hauptstraße nicht ausgespart.

Eine Art Schlüsselstellung nimmt das an der Grenze von Döhlen zu Potschappel gelegene Restaurant von Richard Kippenhahn ein. Das dörflich anmutende Haus an der Dresdner Straße/Abzweig Wilsdruffer Straße dient ab 1872 als Einkehr. Kippenhahn macht sich von 1902 an als Wirt einen Namen, der sich auf Kontakte zu örtlichen Vereinen versteht.

Das Lokal wird Sitz des Männergesangsvereins Tonwelle und der Kriegerkameradschaft Prinz Georg. Mitglieder des Sportvereins 04 lassen sich regelmäßig sehen. 1936 inseriert die Gaststätte: „Gut bürgerliches Familienlokal, Treffpunkt aller Kreise, Gesellschaftszimmer, gute Speisen, eigene Hausschlächterei, schöner Gartenaufenthalt, sonntags warmer Schinken und Kartoffelsalat.“ Mit der Verstaatlichung 1958 wird aus der Wirtschaft die HO-Gaststätte Wilsdruffer Eck.

Fast ein Nobel-Etablissement

Gastronomen und Schauspieler haben eines gemeinsam: Ihr Lorbeer welkt rasch. Selbst die vortrefflichsten Wirte geraten nach ihrem Abtreten von heute auf übermorgen in Vergessenheit.

Wer kann zum Beispiel in unserer Tagen noch etwas mit „Hähnels Restaurant und Weinstuben“ anfangen? Um 1880 ist die Einkehr fast ein Nobel-Etablissement mit Wintergarten, Saal, Bundeskegelbahn, Vereinszimmer und Gartenbetrieb. Später gibt man dem Deubener Lokal den Namen „Alte Post“, die bis in die 30er Jahre hinein auch ein Premierenhaus einheimischer Theatervereine ist. Von Hermann Zimmermann, der die „Post“ zur Blüte führt, spricht schon längst keiner mehr. Nach einem Zwischenspiel als Jugendklubhaus Mozartstraße wird das Gebäude schließlich abgerissen.

Wer weiß noch, dass zum 1895 eröffneten Deubener Augustusbad Lange Straße (Stadtbad) ein komfortables Restaurant gehörte und dass die „Deutsche Eiche“, Poisentalstraße, ab 1898 an Stelle des ehemaligen Bürgerschen Restaurants Dienst am Gast übte?

Die Hainsberger Gaststätte „Zum alten Bahnhof“ besitzt tatsächlich Eisenbahntradition, existierte doch ab 1855 in unmittelbarer Nachbarschaft eine Güterabfertigung mit Personenhalle. 1873 gibt es ein Bahnhofsrestaurant mit Wartehalle. 1897, so besagt die Statistik, steigen hier 381 000 Fahrgäste ein und aus.

Nach der Hochverlegung der Gleise und dem Bau eines neuen Bahnhofes 1905 erinnert nur noch eine kleine Gaststube an gastronomische Bahnhofsvergangenheit.