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Mit der Spraydose gegen Schmierereien

In der Bahnunterführung entsteht ein Schriftzug. Aber er besteht nicht nur aus Buchstaben.

Von Heike Heisig & Cathrin Reichelt
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Graffiti-Künstler Frank Schäfer verschönert mit einem Wandbild die Gleisunterführung des Leisniger Bahnhofs. Der Name der Stadt spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Graffiti-Künstler Frank Schäfer verschönert mit einem Wandbild die Gleisunterführung des Leisniger Bahnhofs. Der Name der Stadt spielt dabei eine entscheidende Rolle. © Dietmar Thomas

Leisnig. Aus einem Ärgernis und Schandfleck soll ein Hingucker werden. Daran arbeitet der Döbelner Graffiti-Künstler Frank Schäfer gerade. Sein Einsatzort ist die Gleisunterführung des Leisniger Bahnhofes. Im Gang ist jetzt schon der Schriftzug „Leisnig“ gut auszumachen.

Der allerdings kommt nicht so einfallslos daher. Alle Buchstaben stellen etwas dar, das die Stadt sehens- und erlebenswert macht, was sich Besucher anschauen sollten. Das L zum Beispiel hat die Form des Leisniger Riesenstiefels. Das Museum, in dem er zu bestaunen ist, hat inzwischen nach einer Personalflaute auch wieder geöffnet. „Das I symbolisiert den Saubrunnen auf dem Neumarkt“, sagt Frank Schäfer.

Grundlage seines Gestaltungskonzeptes waren Vorschläge der Leisniger Oberschüler. „Wir haben uns mehrmals zusammengesetzt und überlegt, mit welchen Motiven und Kunstwerken der Gang und die beiden Treppenaufgänge gestaltet werden können“, sagte Bürgermeister Tobias Goth (CDU).

So solle idealerweise das zu sehen sein, was die Stadt ausmacht. Neben Burg und Riesenstiefel seien das beispielsweise die Vereine. Deshalb sind symbolisch für den Carnevalclub Leisnig (CCL) eine Narrenkappe und für den Fußballverein VfB das typische runde Leder abgebildet. Begrenzt wird der Schriftzug künftig von einem Dudelsackspieler und einem Wachmann, die das Altstadtfest symbolisieren.

Auch ein anderes Leisniger Markenzeichen wird nicht fehlen: die Obstblüten. Sie sollen die Bahnreisenden sozusagen die Stufen hinunter in den Tunnel begleiten und auf beiden Seiten aus offenen Händen schweben. „Ich versuche den Spagat zwischen meinem Stil und den Ideen der Jugendlichen hinzubekommen und habe eine ganze Geschichte daraus gemacht“, so Schäfer. 

Er spraye gerne Objekte in 3 D und spiele mit Licht und Schatten. Das ist ansatzweise bereits zu erkennen. Passend zum historischen Ambiente Leisnigs ist der Schriftzug in Braun- und Ockertönen gehalten. Seit sechs Tagen arbeitet er bereits an dem Bild, das sich über mehrere Wände erstreckt. Mindestens noch einmal so lange wird er noch zu tun haben, bis es fertig ist.

Rathauschef Tobias Goth ist erleichtert, dass sich mit dem jetzigen Projekt ein jahrelanges Problem löst. Schon lange hat es mehr oder weniger regelmäßig Schimpftiraden darüber gegeben, wie es in der Unterführung bisher aussah. Die teilweise mit Parolen beschmierten Wände waren das erste, das Bahnreisende von Leisnig sahen, wenn sie mit dem Zug in der Stadt ankamen. Ein Aushängeschild oder eine Einladung, sich die Stadt näher anzuschauen, sei das keinesfalls gewesen.

Nach erneut heftigen Kritiken am Zustand der Unterführung habe sich der Rathauschef mit der Deutschen Bahn (DB) in Verbindung gesetzt. Daraufhin sei die Projektidee mit der Schule entstanden und verabredet worden, dass jeder seinen Teil leistet. Die Bahn hat Wort gehalten und Zugänge sowie Durchgang in frischem Lindgrün gestrichen – völlig untypisch für Bahnanlagen, aber für die Schönheitskur mehr als passend. Das stellte auch ein Nutzer der Bahnverbindung fest, als er das erste Mal an Frank Schäfer vorbei ging, um zu Gleis 2 und seinem Zug zu gelangen.

„Ich gestalte ungern weiße Wände“, sagt auch Schäfer. Er freut sich über den Auftrag der Stadt Leisnig und meint: „Daran sieht man, dass es auch in der Provinz Offenheit gegenüber kreativen Projekten gibt.“ Es sei wünschenswert, dass auch andere Verwaltungen auf diese Art auf ihre Städte aufmerksam machen. Vielerorts seien Graffiti die Aushängeschilder der Städte und Gemeinden. Sie trügen zur Belebung der Kommunen bei, denn an der richtigen Stelle platziert, könnten sie zu Touristenmagneten werden. Im Altkreis Döbeln werde das leider noch nicht so gesehen. Das Motto sei „Verschönern statt Verschandeln“ und damit gleichzeitig graue Betonwände in einen farbigen Blickfang verwandeln.