Mit Ludwig Güttler auf Schatzsuche

Sein erstes Mal wird Michael Kretschmer nicht so schnell vergessen. Es war am 16. Juni 2013 in Herrnhut. Damals war er noch kein Ministerpräsident von Sachsen. Der Görlitzer saß für die CDU im Bundestag, als ihn sein damaliger Fraktionskollege Klaus Brähmig zu einem besonderen Konzert einlud. Das von ihm mitgegründete Festival „Sandstein und Musik“ gastierte erstmals in der Brüdergemeine. Kretschmer kam – und musste geschlagene zwei Stunden warten, bis das Jacobus-Steiner-Quartett endlich mit der Musik anfing.
„Die Musiker hatten ihre Noten vergessen, die musste einer aus Dresden holen“, erzählte ein gut gelaunter Kretschmer am Sonnabend dem lachenden Publikum in der Pirnaer Marienkirche. Der 43-Jährige, seit 2018 Schirmherr und inzwischen häufiger Gast des Festivals „Sandstein und Musik“, eröffnete mit einem Grußwort dessen 27. Jahrgang – der pünktlich begann. Kretschmer würdigte das Festival als ein Ereignis von überregionaler Bedeutung, das aus dem Kulturkalender Sachsens nicht wegzudenken sei. „Ich freue mich auf das wunderbare Konzert“, sagte Kretschmer, und er wurde, wie die anderen rund sechshundert Gäste, nicht enttäuscht.
Das ist bei Ludwig Güttler wohl auch kaum möglich. Der 75-jährige Dresdner Trompeter ist ein begnadeter Musiker, der mit acht Solisten seiner Virtuosi Saxoniae diesmal auf musikalischen Wegen durch Mitteldeutschland und Dresden unterwegs war. Es war eine überzeugende Zeitreise in den Barock mit Werken von bekannten Komponisten wie Georg Philipp Telemann und Johann Georg Pisendel. Aber auch Raritäten standen auf dem Programm, etwa die Sinfonie A-Dur von Christoph Schaffrath, der aus Hohnstein in der Sächsischen Schweiz stammte, oder eine Suite des weitgehend vergessenen böhmischen Musikers Pavel Josef Vejvanovsky.
„Die Programme, die Sie bei uns finden, werden Sie bei allen anderen Kammerorchestern in Deutschland nicht finden“, sagte Güttler, der immer wieder unbekannten Werken zu neuem Leben verhilft. Sowohl als Musiker als auch als künstlerischer Leiter des Festivals bedankte er sich ausdrücklich beim Publikum. „Ein entscheidender Teil der Motivation, das Festival zu organisieren, kommt von Ihnen. Sie geben uns durch Ihr Kommen zu verstehen, dass das, was wir anbieten, Ihren Erwartungen entspricht.“ Und fügte mit einem schelmischen Lächeln hinzu: „Ich würde mich gerne öfter bei Ihnen bedanken!“
Einige Male hat Güttler dazu beim aktuellen Festivaljahrgang, der unter dem Motto „Schätze unserer Heimat“ bis 8. Dezember dreißig Konzerte anbietet, noch Gelegenheit. Besonders bei der Bläserweihnacht in der Marienkirche, mit der Güttlers Blechbläserensemble traditionell das Festival ausklingen lässt. Wegen der großen Nachfrage gibt es schon seit Jahren zwei Termine. Trotz der Verdopplung aber werden die Karten inzwischen knapp, sagt Projektkoordinator Eckhard Brähmig. Andere Angebote sind schon restlos ausverkauft, wie „Ilse Bähnerts Tubamania“ mit Tom Pauls in seinem Theater oder das Ensemble Baroccolo im Weingut Pesterwitz.
Die gute Nachfrage erfreut Klaus Brähmig, den Vorsitzenden des Trägervereins des Festivals „Sandstein und Musik“, der sich bei den Sponsoren und den ehrenamtlichen Helfern bedankte. Sie werden auch künftig gebraucht, trotzdem das Festival erstmals eine institutionelle Förderung durch den Freistaat erhält. 135000 Euro fließen an die zusammen mit den Schostakowitsch-Tagen Gohrisch gegründete gemeinnützige Festivalkultur Sächsische Schweiz GmbH, die 2019 erstmals als Veranstalter beider Festivals auftritt.
Ob damit Pannen wie vergessene Noten vermieden werden, bleibt dahingestellt. Im Grunde wäre es schade, sonst gäbe es ja keine amüsanten Anekdoten mehr, die ein Ministerpräsident als Schirmherr des Festivals zum Besten geben könnte.
27. Festival „Sandstein und Musik“, bis 8. Dezember; die nächsten Konzerte: 6. April, 17 Uhr, Piano-Salon Dürrröhrsdorf; 7. April, 17 Uhr, Kirche Reinhardtsgrimma.