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Wie ein Mann die Verhältnisse ordnet

Er stammte aus einfachem Elternhaus. In Deuben arbeitete sich Ernst Robert Rudelt zum Königlichen Kammerherrn hoch. Die Gemeinde profitierte enorm.

Von Heinz Fiedler
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Von Rudelt 1895 maßgeblich inspiriert: Bau eines Elektrizitätswerkes am Fuße des Windberges.
Von Rudelt 1895 maßgeblich inspiriert: Bau eines Elektrizitätswerkes am Fuße des Windberges. © Fiedler

Wunder konnte man von ihm eigentlich nicht erwarten. Ernst Robert Rudelt 1860 im sächsischen Leisnig geboren, kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Als Stadtkassierer in Hartha bei Leipzig gewinnt er Ausgang des 19.Jahrhunderts erste berufliche Erfahrungen. Warum er sich vor nun mehr als 120 Jahren ausgerechnet in Deuben, einer zurückgebliebenen dörflichen Gemeinde niederlässt, ist nicht recht klar. 

Rudelts Entscheidung für die Ortschaft am Windberg erscheint deshalb unverständlich, weil von den damals 6.500 Einwohnern viele ohne Lohn und Brot sind. Industrie und Handwerk stecken noch in den Kinderschuhen. Es gibt keine befestigten Straßen, keine zumutbaren Fußwege. Das Ortsbild wirkt heruntergekommen.

1890 zieht Rudelt in zunächst untergeordneter Position ins Deubener Rathaus ein. Nach dem Urteil der Vorgesetzten, ist man mit der Arbeit des neuen Mannes zufrieden. Er habe den nötigen Respekt vor Akten und nehme seine täglichen Aufgaben gewissenhaft wahr. Schon ein Jahr darauf bewirbt er sich als Gemeindevorstand und wird zur allgemeinen Überraschung gewählt. An der Rudelt-Ära wird sich das Dichterwort „Es wächst der Mensch, mit seinen höheren Zwecken“ ein weiteres Mal bewahrheiten.

Mann der vielen Initiativen

Von seiner spartanisch eingerichteten Kanzlei im Rathaus setzt Rudelt, klug abwägend, gleich einige Projekte in Gang. Kaum 18 Monat nach seinem Amtsantritt wird die von ihm inspirierte Trinkwasserversorgungsanlage, bestimmt für 432 Haushalte, in Betrieb genommen. Als nächstes drückt der Vorstand eine neue Bauordnung durch, die unter anderem auf den Bau von Straßen abzielt. Der Hauptstraße werden erhöhte Fußsteige zugeordnet. Ab Sommer 1893 rollt ein Turbinenwagen, der bei anhaltender Trockenheit als Wassersprenger dient.

Ernst Robert Rudelt 1860-1935.
Ernst Robert Rudelt 1860-1935. © Sammlung: Siegfried Huth

Schlag auf Schlag geht es weiter: Über die Weißeritz werden zwei massive Brücken gebaut. Die Gemeinde bekommt ein Postamt zweiter Klasse. Die Frage der öffentlichen Straßenbeleuchtung bereitet dem ersten Mann im Rathaus erhebliche Probleme. Senkt sich die Nacht über Deuben, liegt die Ortschaft in totaler Finsternis. 

Rudelt will von Anfang an kein Provisorium, er denkt an eine gültige Lösung. Eine Variante scheint sich anzubieten. Unmittelbar an der Gemeindegrenze existiert ein Döhlener Privatgaswerk. Ein hartes Feilschen mit dem Herrn der dortigen Direktion setzt ein, dass zu keinen akzeptablen Ergebnissen führt. Das Deubener Verhandlungsteam zieht sich zurück. 

Rudelt weiß Rat. Er ist für den Bau eines gemeindeeigenen Elektrizitätswerkes, dass nach heftigen Debatten im Kreis der Gemeindeväter 1896 am Fuße des Windberges in Betrieb geht. Kraftstrom nicht nur für die Leuchten der Straßen und Gassen, sondern auch Licht für die Wohnungen der Deubener und für Fabriken und Arbeitsstätten des Handwerkes. Als Unternehmensform wird ein Gemeindeverband gebildet. 

Hochwasser verwüstet Deuben

1897 verwüstet das Jahrhunderthochwasser der Weißeritz weite Teile von Deuben. 443 Einwohner büßen ihr Hab und Gut ein, allein im privaten Bereich beläuft sich die Schadenssumme auf eine halbe Million Mark. Ernst Robert Rudelt, inzwischen für seine Verdienste auf kommunalem Gebiet mit der Verleihung des Titels „Königlich sächsischer Kammerrat“ geehrt, plädiert im Landtag für eine Befestigung der Uferzone und macht sich für die Gründung einer Weißeritz-Talsperren-Genossenschaft stark.

Unerbittlich gegen sich selbst nimmt er ständig Neues in Angriff. Der Bau des Krankenhauses, der Schule und des späteren Stadtbades Langestraße, die 1902 eröffnete Straßenbahnlinie Dresden-Deuben, das Entstehen von Grünanlagen wie 1904 der Albertpark (heute Goetheplatz) bilden weitere Mosaiksteine seines Lebenswerkes.

Als er 1913 auf einer Einwohnerversammlung im „Sächsischen Wolf“ über die Zukunft Deubens referiert, gibt er auch einen Einblick in seine Visionen: „Ich bin sicher, dass es in absehbarer Zeit am Windberg eine Stadt mit modernem Zuschnitte geben wird.“ Ein Ausblick, der eher auf Unglauben als auf Zustimmung stößt und Aufregung auslöst. 

Als seine Prognose zur Wirklichkeit wird, ist Ernst Robert Rudelt nicht mehr im Dienst. Am 30. September 1917 muss er aus gesundheitlichen Gründen sein Amt abgeben. Das lange Zeit unscheinbare Deuben entwickelte sich mit Rudelt am Ruder zu einer passablen Großgemeinde mit Industrie, Handwerk, Geschäftswelt, konsolidierten Finanzen und immerhin 15.000 Einwohnern. 

In der Nacht zum 5. Februar 1935 erliegt die hochgeachtete Persönlichkeit in einem Dresdner Krankenhaus einem Schlaganfall. Rudelt wäre der jungen Stadt sicher ein erstklassiger Oberbürgermeister gewesen. Freital wahrt sein Andenken mit einer Straße im Raschelberggebiet, die seinen Namen trägt.