Von Carina Brestrich
Dann ist es eben so. Einen schlimmeren Satz gibt es für Anneliese Tschiedel nicht. Erst recht nicht, wenn es um die Bahnhofshalle in Löbau geht. Weil sich weder neue Mieter für die Räume noch ein Käufer für das Gebäude findet, soll die Halle ab Oktober geschlossen werden. „Als ich das erfuhr dachte ich sofort: Da muss man doch was machen. Das wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinbekommen würden“, sagt die Renterin aus Bernstadt.
Und Anneliese Tschiedel weiß, wovon sie spricht: Vor einigen Jahren konnte durch ihr Engagement der Postmeilenstein in Bernstadt restauriert werden. Nun also hat sie sich die Bahnhofshalle vorgenommen: Mit Unterschriften möchte sie gegen eine Schließung kämpfen.
Unterstützt wird sie dabei von zahlreichen Löbauern und Menschen aus dem Umland: Rund 20 Menschen hatten sich am Mittwoch zu einem ersten Treffen vor dem Löbauer Bahnhof versammelt. Jeder bekam von Anneliese Tschiedel kurzerhand eine Liste in die Hand gedrückt, um selbst Unterschriften zu sammeln, die Listen in Geschäften oder Vereinen rumzureichen. Unter ihnen waren Mitglieder des Sportverein-Ost, der Volkssolidarität und des Seniorenrates der Stadt. „Löbau hat über die Jahre ohnehin schon sehr abgebaut“, sagt der Löbauer Hartmut Janke. Fritz Klinke pflichtet ihm bei: „Die Schließung der Halle wäre ein Armutszeugnis für die Stadt.“
Besonders für die älteren Bahnreisenden wäre das eine Katastrophe, so eine Vertreterin des Seniorenrates. Denn mit der Schließung der Halle muss auch die Reiseagentur ausziehen. Und das heißt, dass Fahrkarten nicht mehr am Schalter erhältlich sind: „Gerade Rentner haben aber Probleme, einen Automaten zu bedienen.“ Immerhin gibt es die nächsten Verkaufsstellen direkt am Bahnhof erst wieder in Bautzen, Görlitz oder Zittau.
Doch nicht nur der Ticketschalter macht die Halle so wichtig. Reichlich 1 000 Fahrgäste steigen in Löbau täglich in den Zug. „Besonders in der kalten Jahreszeit bietet eine offene Halle eine bessere Wartequalität“, sagt Christoph Mehnert vom Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon). Wie alle gestern am Bahnhof Löbau glaubt auch er, dass das Aus der Halle für Löbau und die engere Region nur Nachteile haben wird.
Matthias Böhm, Sprecher der bündnisgrünen Landesarbeitsgemeinschaft für Mobilität und Verkehr, sieht deshalb die Bahn in der Verantwortung. „Vor allem fehlt ein Gesamtkonzept für den Bahnhof, wie Mieter hier angesiedelt werden können“ sagt der Zittauer, der am Mittwoch selbst vor Ort in Löbau war. Er etwa könne sich vorstellen, am Bahnhof einen Fahrradhändler samt Ausleihservice unterzubringen. Auch eine kommunale Nutzung, etwa die Unterbringung der Tourist-Info, wäre denkbar. Ein Kauf des Gebäudes durch die Stadt sei hingegen nicht optimal. Ähnlich wie bei der Schauburg in Zittau, befürwortet er ein Genossenschaftsmodell, bei der die Stadt etwa Miteigentümer sein könnte.
Auf ein Wunder seitens der Deutschen Bahn hofft Michael Cleve vom Regionalverband des Kundenverbandes dagegen nicht. Vor allem sei die Stadt Löbau nun in der Pflicht, sich gegen eine Schließung stark zu machen. „Wer einen Tag der Sachsen nach Löbau holen und einen zweite Gartenschau will, braucht doch auch einen ordentlichen Bahnhof“, so Cleve beim Treffen.
Dass die Stadt das Bahnhofsgebäude retten kann, bezweifelt allerdings Hans Golombek von der CDU-Stadtratsfraktion. „Die Stadt hat in den vergangenen Jahren viel riskiert, um Dinge wie die Landesgartenschau in Bewegung zu setzen“, sagt er. Derzeit spiele die durch die Hess-Pleite notwendig gewordene finanzielle Soforthilfe für das Haus Schminke eine wichtige Rolle. „Die Stadt kann nur schwer noch mehr Objekte auf ihre Schultern ziehen“.
Illusionen macht sich auch Ingo Seiler von der Bürgelriste nicht. Zwar könne die Stadt um Käufer oder Mieter werben. Mehr aber auch nicht: „Das Risko ist einfach zu hoch. Wir brauchen nicht noch einen Investruine.“
Rentnerin Anneliese Tschiedel lässt sich von solchen Aussagen nicht entmutigen. Sie will in den nächsten Wochen mehrere Hundert Unterschriften sammeln. Und auch ihre Unterschriftenlisten konnte sie am Mittwoch an ihre Mitstreiter verteilen. Anfang Juni möchte sie die unterschriebenen Listen dann im Stadtrat übergeben, sagt sie. „Jetzt muss ich aber erst einmal Listen nachdrucken.“