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Mit Zollstock durch die Gaststube

Gaststätten dürfen ab Freitag wieder öffnen. Eine Checkliste mit 45 Empfehlungen lässt aber viele Wünsche der Gastronomen offen.

Von Thomas Riemer
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Kirsten Börner hat in ihrem Gasthof Zschauitz in diesen Tagen nicht nur die 1,50 Meter Sicherheitsabstand zwischen den Tischen akribisch fixiert. Es sind viele weitere Dinge, die den Gastronomen zwar einen Neustart, keineswegs jedoch Normalität bescheren.
Kirsten Börner hat in ihrem Gasthof Zschauitz in diesen Tagen nicht nur die 1,50 Meter Sicherheitsabstand zwischen den Tischen akribisch fixiert. Es sind viele weitere Dinge, die den Gastronomen zwar einen Neustart, keineswegs jedoch Normalität bescheren. © Kristin Richter

Zabeltitz. Allein in dieser Woche sollten in der Parkschänke Zabeltitz fünf Reisebusse vorfahren. "Insgesamt sind seit März 17 Busse ausgefallen", rechnet die Seniorchefin Dorothee Koitzsch vor. Acht Wochen Zwangspause haben ihre Spuren zweifelsohne hinterlassen. Die Umsatzeinbuße wird nicht zu kompensieren sein. Und doch sagt Dorothee Koitzsch: "Kopf hoch"!

Ab Freitag dürfen Gaststätten und Hotels in Sachsen ihre Türen wieder öffnen. Am Dienstag von der Landesregierung verfügt, hat sich Dorothee Koitzsch noch am gleichen Tag mit ihren Mitarbeitern zusammengesetzt - um sie entsprechend der Vorgaben in Sachen Hygiene- und Infektionsschutz zu schulen. Da war die "Checkliste zu den Vorgaben für die Erstellung eines individuellen Hygienekonzeptes" zwar noch nicht offiziell erschienen. "Aber wir sind von unserem gesunden Menschenverstand ausgegangen", sagt die Parkschänken-Chefin.

Letztlich kamen die einzuhaltenden Bestimmungen eh nicht überraschend: Gäste so platzieren, dass ein Mindestabstand von 1,50 Meter eingehalten wird, dabei "Schneisen" für das Servicepersonal zwischen den Tischen beachten. Kellnerinnen und Kellner müssen Mund-Nasen-Schutz tragen. Aus Sicht der Parkschänken-Inhaberin macht das Sinn, um "sowohl das Personal als auch die Gäste zu schützen. Andererseits weiß sie auch, dass  es "für meine Mädels hammerhart wird", wenn sie acht Stunden am Stück bedienen müssen. "Die müssen ja auch mal Luft holen."

45 Punkte enthält die Checkliste, die die Gastronomen jetzt zu viel Improvisation und Geschick verdammt. "Das Schlimmste war, die Stühle wegzuschleppen", sagt Dorothee Koitzsch. Rund die Hälfte der angestammten Sitzplätze in den drei Gaststuben sowie im Biergarten bleiben vorerst für die Gäste übrig. "50 Prozent - das ist schon ein erheblicher Aderlass", kommentiert die Zabeltitzerin. 

Doch die Parkschänke stellt sich der Herausforderung. Das gesamte Haus, zu dem neben dem Gaststättenbetrieb auch Hotelräume zählen, ist gründlich gereinigt und desinfiziert worden. Erste kleinere Reservierungen gibt es bereits. Doch die erfahrene Wirtin ist sicher: "Es wird sehr verhalten anlaufen." Aber das Motto der Zabeltitzer ist eindeutig: Man wolle es ruhig und mit Bedacht angehen. Der in den letzten Wochen praktizierte Abholservice bleibe vorerst erhalten", fügt die Chefin noch hinzu.

"In Richtung Normalität ist es noch ein sehr weiter Weg"

"Ich sehe die Chance zu öffnen als Zeichen. Doch in Richtung Normalität ist es noch ein sehr weiter Weg", sagt Thomas Krause. Der Chef der Schützenhaus-Eventgroup Großenhain ist alles andere als euphorisch - und trotzdem froh, in der Mückenschänke sowie im Schützenhaus selbst den Betrieb wieder aufnehmen zu können. Auch er geht nach einer ersten Bestandsaufnahme von rund 50 Prozent des gewohnten Platzangebotes aus. 

Der Schützenhaus-Biergarten und die "Mücken-Terrasse" bereiten weniger Kopfschmerzen. Allerdings: Große Gesellschaften, die gern in den beiden Restaurants gastieren, haben vorerst wegen der Vorgaben zur Personenzahl und -zusammensetzung so gut wie keine Chance. "Viele Gruppen werden erstmal nicht kommen", prognostiziert Thomas Krause. Die Bowlingbahnen im Schützenhaus müssen vorerst noch auf Kunden warten. Dafür, so der Wirt, habe man ein Extra-Konzept erarbeitet und am Mittwoch ans Gesundheitsamt geschickt. Die Antwort stehe noch aus. 

Thomas Krause will jetzt erst einmal warten, wie sich das Ganze am Wochenende anlässt. Seine Skepsis ist deutlich hörbar. "Die Wirtschaftlichkeit unter diesen Bedingungen ist das große Fragezeichen", sagt er.

"50 Prozent der Plätze muss ich sparen"

Kirsten Börner ist in den letzten Tagen nicht nur wegen der Beschaffung von Desinfektionsmitteln unterwegs gewesen, sondern auch mit dem Zollstock zwischen den Tischen im Gasthof Zschauitz herumgekrochen. "Der Tisch wird gesperrt", erklärt sie mit einem Wink auf die mittlere von drei mit für sechs Gäste vorgesehene Sitzgelegenheit. Auch im Biergarten sind die 1,50 Mindestabstand eingerichtet worden. "50 Prozent der Plätze muss ich sparen", sagt die Gaststätteninhaberin. Es klingt traurig. Aber nicht resignierend.

Als sie Mitte der Woche endlich die Checkliste durchforstet hatte, "war ich kurz in Schockstarre". Sie habe eine Weile nachgedacht, ob sie am Freitag tatsächlich öffnen werde. Denn von den ihr wichtigen Ansprüchen an gute Gastronomie seien einige Vorgaben ein gutes Stück entfernt. "Ich will Gastgeber sein, und das darf ich nicht sein", sagt Kirsten Börner beispielsweise mit Bezug auf die Mund-Nasen-Schutz-Pflicht für das Gaststättenpersonal. "Da geht doch die Kommunikation zu den Gästen verloren", glaubt sie. Doch genau jenen fühlt sich die Gastwirtin gerade jetzt verpflichtet. Mit Blick auf die letzten Wochen, in der sich der Gasthof mit Abholservice mehr oder weniger über Wasser hielt, seien die Kunden "so treu und lieb gewesen. Da krieg ich eine Gänsehaut", sagt Kirsten Börner. 

Deshalb wird sie sich mit ihrem kleinen Team der neuen Situation stellen. Der Abholservice bleibt erhalten, von Freitag bis Sonntag wird der Gasthof Zschauitz öffnen. "Wir werden erstmal prüfen, wie es funktioniert und ob es sich rechnet", sagt die Inhaberin. Dass die Auflagen für den Gaststättenbetrieb so kurzfristig kamen, bringt Probleme mit sich. So habe sie zwar ausreichend Desinfektionsmittel bekommen, jedoch seien die Spender dafür derzeit nur schwer zu haben. Gedanken macht sie sich zudem, wie es bei Hochdruck für das Servicepersonal mit der Mundschutzpflicht funktionieren soll. 

Seit etwa zwei Wochen registriert Kirsten Börner wieder zaghafte Reservierungen. Dass Familienfeiern wie Jugendweihen nun voraussichtlich in den Herbst verlegt werden, bereitet ihr Kopfschmerzen. Doch Resignation ist ihr Ding nicht. "Das ist doch mein Zuhause", sagt sie, blickt durch den Gastraum und legt den Zollstock auf den Tisch.

Zum Thema Coronavirus im Landkreis Meißen berichten wir laufend aktuell in unserem Newsblog.

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