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Mitarbeiter bestehlen Bosch

Gericht verurteilt drei Lohmener. Eine anonyme E-Mail wurde ihnen zum Verhängnis.

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© Symbolbild: dpa

Von Stephan Klingbeil

Gerichtsbericht. Immer in der Spätschicht schlug Mario L. zu. Der 39-Jährige aus Lohmen war schon über zehn Jahre bei dem Unternehmen angestellt, das für den Sebnitzer Standort des Elektrogeräteherstellers Bosch Werkzeugteile und Maschinen in Neustadt lagert. Vor dem Amtsgericht Pirna gibt er zu, zwischen 2011 und 2014 mehrmals Geräte aus dem Lager gestohlen zu haben. Die Ware, an der er sich bediente, hätte ihm zufolge Kratzer bzw. kleinere Schäden an Gerät oder Verpackung gehabt und sei dort vor dem Rückversand nach Sebnitz zwischengelagert worden.

Auch von Bosch zuvor als Schrott deklarierte Bohrer, Meißel oder Schleifscheiben habe er immer wieder mitgehen lassen – kofferweise. „Wie viel das war, weiß ich nicht mehr“, erklärt L. „Ich war auch nicht der einzige Mitarbeiter, der etwas aus dem Lager mitgehen ließ.“ Beweisen kann er die Behauptungen nicht. Fakt ist jedoch, dass der damalige stellvertretende Lagerleiter bereits wegen Diebstahls in dem Lager zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt worden ist. Zu 90 Tagessätzen, hieß es vor Gericht. Nach dessen Verurteilung musste sich nun Mario L. vor dem Amtsgericht verantworten. Doch nicht nur er allein. Der 2014 gekündigte langjährige Mitarbeiter war in Pirna mit zwei Bekannten, den 31 Jahre alten Lohmenern Berko N. und Tobias F., angeklagt worden – wegen Bandendiebstahls.

Das Trio soll demnach zusammengearbeitet haben, um das Diebesgut – meist für Geld und zudem deutlich unter dem Ladenpreis – weiterzugeben. Laut einem Ermittler soll es womöglich sogar eine Art Bestellliste gegeben haben, die in Lohmen kursiert hätte. Nachweisen ließ sich dies bisher nicht. Laut Polizeiaussagen vor Gericht seien vor allem Winkelschleifer zwischen 2011 und 2014 abhanden gekommen, insgesamt an die 90 Stück, von denen man 15 bisher wiedergefunden hätte. Die Beamten entdeckten die Geräte in einem Schuppen in Lohmen, in der Wohnung der Schwester von Mario L. und bei Bekannten oder Verwandten der drei Angeklagten.

Aufgeflogen nach anonymem Tipp

Nach einem anonymen Tipp per E-Mail an Bosch hatten die Ermittlungen im Frühjahr 2014 gegen Mitarbeiter begonnen. Laut einem Logistiker des Unternehmens in Sebnitz, der vor Gericht aussagen musste, wurden 2012 erste Fehlbestände in ungewöhnlichen Größenordnungen festgestellt. Etwa 60 bis 80 Geräte seien damals abhanden gekommen, 2013 wohl ähnlich viele. Zudem wurden in beiden Jahren über 1 400 Akkus vermisst. Jährlich würden aber in Sebnitz rund 2,5 Millionen Elektrowerkzeuge hergestellt, so der Logistiker. Und für den Schaden sei der Lagerbetreiber aufgekommen.

Eine Telefonüberwachung im April 2014 führte schließlich zu Mario L. und Tobias F., die sich per SMS über eine Offerte unterhalten haben sollen. Die Staatsanwaltschaft geht infolge der Ermittlungen davon aus, dass L. während seiner Schichten 2011 und 2013 mindestens 15 Winkelschleifer von Paletten aus dem Lager gestohlen und sie bei seinem Cousin Berko N. eingelagert hat. Die Geräte wurden in Teilen weiterverkauft oder sollten es werden.

Obendrein würde man dem Hauptangeklagten drei weitere Diebstähle in den Jahren 2013 und 2014 nachweisen können. Bei allen Vorfällen seien Gesamtschäden in mindestens vierstelliger Höhe entstanden. Während Mario L. die Taten vor Gericht ohne Zögern einräumt, streiten seine vermeintlichen Komplizen eine Beteiligung ab. „Mein Mandant hat mit diesen Vorwürfen nichts zu tun“, sagt der Anwalt von N. Die Kisten mit den Winkelschleifern aus dem Lager seien lediglich in jenem Schuppen auf dem Grundstück verstaut worden, zu dem mehrere Personen Zutritt haben. Berko N. hätte nicht gewusst, dass L. diese Geräte gestohlen hatte.

Ähnlich argumentiert Tobias F. Er habe den Hauptangeklagten bei einem Dorffest kennengelernt, erfuhr von ihm, dass er Geräte und Werkzeugteile von Bosch „aus zweiter Wahl“ besorgen könnte. Beweise für seine Beteiligung an einem organisierten Handel mit Diebesgut aus dem Lager gab es allerdings keine. Lag hier also überhaupt ein Bandendiebstahl vor? Nein, sagen die Verteidiger. Und auch das Gericht hat seine Zweifel aufgrund der Beweislage.

Nach einem Rechtsgespräch der Prozessbeteiligten wurde die eigentliche Anklage gegen das nicht vorbestrafte Trio gekippt. Der Hauptbeschuldigte L. wurde wegen fünf Fällen des gewerbsmäßigen Diebstahls zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er muss zudem 600 Euro zahlen. Genauso viel muss Berko N. berappen. Sein Verfahren wird im Gegenzug eingestellt. Der gelernte Fleischer Tobias F. wurde wegen versuchter Hehlerei zu einer Geldstrafe über 1 500 Euro verurteilt.