Das sagen Mitarbeiter zum Bombardier-Deal

Obwohl sich die Wintersonne alle Mühe gibt, die Sorgenfalten zu überstrahlen, hat die Belegschaft des Bombardier-Werkes in Görlitz an diesem Dienstag wenig Grund zur Freude. Keinen halben Tag ist die Nachricht alt, dass die ganze Bombardier-Zugsparte an den französischen Konkurrenten Alstom verkauft werden soll. Die Zukunft des Görlitzer Werkes: ungewiss.
Um 14 Uhr ist Schichtwechsel, Arbeiter strömen aus den Toren des Werkes, andere gehen hinein. Letztere sind in Eile, haben keine Zeit, zu reden. Die anderen befinden sich auf dem Heimweg, viele winken ab, sie wollen nicht mit uns sprechen - oder geben vor, es nicht zu dürfen. Einige sagen auch: "Wir wissen doch sowieso nichts."
"Man gewöhnt sich dran"
Dass der Verkauf für rund 6 Milliarden Euro nun beschlossene Sache ist, davon haben die Mitarbeiter am Montagabend durch ein Rundschreiben erfahren, in dem die Bombardier-Chefs Stellung zu der Sache nehmen. Eine persönliche Ansprache habe es nicht gegeben, erzählen die Arbeiter, auch nicht vor Beginn der ersten Schicht. Einige geben zu, dass sie es sich gewünscht hätten.
Was niemand äußert, ist Überraschung. "Man hat ja nur darauf gewartet, wer der Nächste ist", sagt ein junger Mann. Er arbeite seit sechs Jahren im Betrieb. Seit er bei Bombardier ist, gebe es ständig solche Nachrichten. "Man gewöhnt sich daran", sagt er. Ob er keine Angst habe, seinen Job zu verlieren? "Dann mache ich eben was anderes."
Die Moral ist am Boden
Doch es gibt auch Skeptiker. Einer von ihnen ist Ringo Schatz aus Görlitz, der seit einigen Jahren bei Bombardier arbeitet, jedoch in einem Monat das Unternehmen verlässt. Mit dem Verkauf hat das jedoch nichts zu tun. "Ich glaube nicht, dass das Kartellamt zustimmen wird", sagt er. Schließlich sei schon die Fusion von Siemens und Alstom gescheitert, warum soll nun ausgerechnet diese Übernahme funktionieren?
Schatz hat gern bei Bombardier gearbeitet, ist nun allerdings froh, rechtzeitig den Absprung geschafft zu haben. Die letzten Jahre seien hart gewesen: "Die Moral bei den Beschäftigten ist am Boden", sagt er. Immer wieder gab es in jüngerer Vergangenheit Spekulationen über Verkaufsangebote. Dass die Schienensparte seit Jahren rote Zahlen schreibt, ist bekannt. Das geht an keinem Mitarbeiter spurlos vorbei.
Ein hochgewachsener Mann tritt durch das Tor, er trägt einen leuchtend roten Pullover. Er ist Ingenieur bei Bombardier, möchte seinen Namen jedoch nicht in der Zeitung lesen. "Die meisten haben es geahnt", sagt er. Ein Stück weit fühle er sich in seinen Vermutungen bestätigt: "Jetzt wissen wir zumindest, warum in den letzten Jahren nichts mehr in das Werk investiert wurde." Ob die Belegschaft etwas Konkretes gewusst habe? "Nein, der Verkauf wurde ausschließlich von der Topmanager-Ebene ausgehandelt", sagt er.
Neuigkeiten aus der Zeitung
Durch den Rundbrief habe er sich gut informiert gefühlt, sagt er. Das sehen hier die wenigsten so. Immer wieder fallen Sätze wie: "Wir sind doch die Letzten, denen sie was sagen", oder "wir sind denen doch egal." Die Häufigkeit des Wortes "denen" ist dabei Sinnbild für die Entfremdung der Arbeiter von ihrem Betrieb, verursacht durch die Unsicherheiten der letzten Jahre. "Wenn es Neuigkeiten gibt, erfahren wir die nur aus der Zeitung", sagt Ringo Schatz.
Wie es nun weitergeht, darüber wollen die wenigsten auch nur spekulieren. "Ich glaube nicht, dass die Werke in Sachsen noch eine Zukunft haben", sagt einer. "Irgendwas wird schon werden", sagt ein anderer. Dann geht das Tor auf, ein Kurier auf einem Fahrrad kommt heraus. Ob die Belegschaft Angst vor Kündigung habe? "Keine Ahnung, ich bin Leiharbeiter und sowieso als Erster dran", sagt er. Dann radelt er davon. Noch kann er für Bombardier in Görlitz arbeiten.