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Mittelmeerluft und Sonne im Krieg

Premiere. Ein Berliner hat einen Film über die ersten Griechen in Görlitz gedreht.

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Von Ines Eifler

Die Griechen kommen“, hieß es 1916 in Görlitz, als sich 6 400 Soldaten der griechischen Armee freiwillig in deutsche Kriegsgefangenschaft begaben, drei Jahre lang das Bild der Stadt prägten und Namen und Nachfahren bis heute hinterließen, sofern sie blieben.

Der Berliner Filmemacher Konstantinos Toubekis hat über diese erste intensive Begegnung zwischen den Landsleuten seiner Väter und den Görlitzern eine Dokumentation gedreht, obwohl das gar nicht seine Absicht war. „Eigentlich habe ich mich nur für die Tonaufnahmen im Lautarchiv der Berliner Humboldt-Uni interessiert, die seit kurzem ausgewertet und digitalisiert sind.“ Einer der größten Schätze dieses Archivs ist die Sammlung von 250 Aufzeichnungen fremder Sprachen, Dialekte und Musik aus Ländern aller Kontinente, die während des Ersten Weltkriegs in deutschen Kriegsgefangenenlagern für ein „Stimmenmuseum der Völker“ zusammengetragen wurden.

Konstantinos Toubekis suchte vor allem Tondokumente, die von Griechen herrührten. 70 Schellackplatten und ebenso viele Wachswalzen, aufgenommen in jenem Lager, das einem ganzen griechischen Regiment Platz bot, fand er. Ort des Geschehens: Görlitz. Besondere Entdeckung: Von hier, aus dem Jahr 1917, stammt die weltweit erste Aufnahme des griechischen Lauteninstruments Bouzouka.

Also machte sich der Regisseur an die Neiße auf, ging in die Archive, forschte hier nach griechisch klingenden Namen. Fand Halaris, Jakurdis, Dankus oder Basiotis, filmte die noch in Görlitz lebende Tochter eines griechischen Soldaten, sprach mit Kindern, Enkeln und Urenkeln. Andere Nachkommen besuchte er in Athen und erfuhr viel über das Görlitzer Leben zwischen Griechen und Deutschen in den letzten Kriegsjahren.

Mädchen waren hin und weg

„Es war ein Kriegsgefangenenlager, ohne eins zu sein“, sagt der Regisseur, denn das Deutsche Reich gewährte dem Regiment Gastfreundschaft, weil es um Aufnahme bat, statt in den Tod zu gehen.

Genau 90 Jahre ist es nun her, dass zehn geschlossene Züge voller griechischer Männer im Görlitzer Bahnhof einfuhren. Hatten sie Unmut bei den Deutschen erwartet, so wurden sie im Gegenteil freudig begrüßt und als exotisch bestaunt. Im Lager, das an der Stelle des heutigen Kauflands in Zgorzelec stand, konnten sich die Soldaten frei bewegen und arbeiteten in Görlitzer Betrieben. Die Offiziere wohnten gar in der Stadt zur Untermiete.

Die Görlitzer Mädchen waren hin und weg, das Leben bekam Mittelmeerluft und Sonne zu spüren, südliches Temperament lenkte von Krieg und Alltag ab. Nach 1919 blieben 200 Mann in Görlitz, einige Kinder wurden geboren, der Rest kehrte nach Griechenland zurück. Von all diesem erzählt Toubekis’ Dokumentation.

Wenn das Europahaus heute „90 Jahre Griechen in Görlitz“ feiert, werden nicht nur Nachkommen der Soldaten die Stadt und die Gräber ihrer Ahnen besuchen. Sie sind auch die ersten, die den Film zu sehen bekommen, bevor „Görlitz, die Griechen und die geheime Kommission“ im Fernsehen läuft.

Zur Uraufführung im Großen Ratssaal um 19 Uhr ist heute eingeladen, wer sich vorher anmeldet: 03581/40 14 64.

Im 3sat: 12. Oktober, 21.30 Uhr