"Wir laufen einfach"

Riesa. Zum wiederholten Mal hat es am Montagabend einen etwa einstündigen Protestmarsch durch die Riesaer Innenstadt gegeben. Der Zulauf fiel anscheinend geringer aus als in der Vorwoche. Laut Teilnehmerkreisen wurden diesmal 95 Menschen gezählt. Vor einer Woche seien es 130 Teilnehmer gewesen, hieß es.
Der Protest der "Spaziergänger", wie sich viele Teilnehmer selbst bezeichnen, richtete sich offenbar einmal mehr gegen die staatliche Corona-Politik. Banner oder Parolen gab es jedoch auch diesmal nicht zu sehen beziehungsweise zu hören. Bleibt die Frage: Was genau bringt die Menschen auf die Straße?
Sie wolle, dass wieder alles normal wird und die Beschränkungen gelockert werden, so eine Teilnehmerin. Sie sei für eine Corona-Politik nach dem Vorbild von Schweden, sagte die Frau mittleren Alters, die nach eigenem Bekunden auch beruflich von den hiesigen Beschränkungen betroffen ist – sie mache Musik in Kitas und dürfe derzeit nicht dort hinein. Für Eltern, aber vor allem für die Kinder, sei die Situation belastend, so die Frau weiter. Nach einer Prognose gefragt, wann die Beschränkungen ganz wegfallen, zeigte sie sich pessimistisch. "Dieses Jahr nicht mehr."
Schlecht durchdacht und unlogisch
Ein Mann mit dunklem Bart sagte, dass er die derzeitige Bildungspolitik "mau" findet. Er wolle, dass in der Schule wieder Normalität einziehe und sein 15-jähriger Sohn wieder jede Woche in die Schule gehen könne. Derzeit lerne der Jugendliche eine Woche in einem Riesaer Gymnasium und dann wieder eine Woche daheim. "Mein Junge bekommt das gerade gar nicht klar", so der Vater, der nach eigenen Worten im Agrarsektor arbeitet. Man könne von einem 15-Jährigen nicht verlangen, sich selbst zu organisieren. Viele der Corona-Regeln für den Alltag seien zudem schlecht durchdacht und unlogisch, so eine weitere Kritik des Mannes: Beim Einkaufen müsse man Masken aufsetzen, im Döner nebenan dürfe man aber ohne sitzen. An mancher Stelle hätten die Corona-Beschränkungen aber auch ihr Gutes: Dass man weniger Flugzeuge am Himmel sehe, könne er unterstützen.
Nach den Gründen für ihre Teilnahme gefragt, wollten sich am Montag nur wenige Menschen äußern. Es liege doch auf der Hand, warum er mitlaufe, so ein Mann fortgeschrittenen Alters in Lederjacke. Der SZ warf er vor, nicht unabhängig und "ein Staatsinstrument" zu sein. Ein anderer Mann, etwa Mitte vierzig, lehnte eine Unterhaltung unter anderem mit der Begründung ab, er wolle "mit Kommunisten nichts zu tun haben."
Organisatoren stellen Demo auf Prüfstand
Ein Kopf der Demo, deren Strecke wieder vom Rathausplatz bis zum Riesenhügel und zurück verlief, war nicht auszumachen. Zwei Frauen an der Spitze des Zuges verneinten auf Nachfrage, dass sie die Richtung vorgeben würden. "Wir laufen einfach", sagte eine von ihnen.
Unter den Teilnehmern des gemeinschaftlichen Marsches fanden sich einmal mehr auch etliche Selbstständige, Handwerker und Angestellte. Einige Protestler schienen in Familie gekommen, andere mit Freunden oder Bekannten unterwegs zu sein. Anders als etwa in Großenhain waren bei der Riesaer Demo offenbar keine Lokal- oder Landespolitiker dabei, auch nicht als Beobachter.
Eine Besonderheit bei den montäglichen Corona-Protesten in Riesa gab es auch in dieser Woche: Neben dem unangemeldeten Innenstadt-Protest gab es auch wieder eine angemeldete Demo aus dem AfD-Umfeld. Laut Veranstalter Enrico Barth kamen zu der Aktion im Krankenhaus-Kreisverkehr sechs Teilnehmer. Beim Protest an der Langen Straße vor einer Woche hatten die Macher noch 17 Protestierende gezählt. Den Schwund führt Enrico Barth auf die jüngsten Lockerungen der Corona-Restriktionen zurück. Ob sie ihre Demos überhaupt weiterführen, wollen Barth und seine Mitstreiter deshalb nun erst einmal beratschlagen. Es sei möglich, dass man sich dem Innenstadt-Protest anschließe.
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