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Noch darf Mustafa nicht ausrücken

Der Iraker ist einer der ersten Asylbewerber in einer Freiwilligen Feuerwehr und tut alles, damit er ein richtiger Kamerad in Ostritz wird. Aber das ist nicht einfach.

Von Holger Gutte
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Der Iraker Mustafa Abdullah ist seit Oktober 2018 Mitglied der Ostritzer Feuerwehr.
Der Iraker Mustafa Abdullah ist seit Oktober 2018 Mitglied der Ostritzer Feuerwehr. © Rafael Sampedro

Enttäuscht musste Mustafa Abdullah beim letzten Einsatz der Ostritzer Feuerwehr hinterher sehen, wie seine Kameraden ohne ihn ausrückten. Sie waren kurz nach 22 Uhr wegen eines Sturmschadens alarmiert worden. Ein Baum war auf den Radweg gestürzt. "Mustafa wäre gern mit ausgerückt. Er ist sofort da gewesen, als die Sirene ertönte. Aber das geht noch nicht", sagt Stadtwehrleiter Matthias Franke. 

Mustafa Abdullah ist seit Oktober 2018 Mitglied der Ostritzer Feuerwehr. "Ich bin zur Feuerwehr gegangen, weil ich helfen und Deutschland etwas zurückgeben möchte", sagt der 34-Jährige. Mustafa kommt aus dem Irak. Mit seiner Familie ist er bis nach Deutschland geflohen. "Ich bin dankbar, dass wir hier so gut aufgenommen wurden", sagt er. Seit vier Jahren wohnt er in Ostritz. Er fühlt sich wohl hier. Seine beiden zwei- und vierjährigen Söhne und seine fünfjährige Tochter gehen in den Kindergarten. 

In der Euro-Schule in Görlitz hat er Deutsch gelernt. Jetzt büffelt er zu Hause weiter. Sein Lehrer ist sein Handy. Damit quält er sich mit Google durch die Fachbegriffe der Feuerwehr. Matthias Franke hat ihm einen dicker Ordner mitgegeben. Die Antworten auf die Fragen darin muss er drauf haben. Denn Mustafa will zum Feuerwehr-Lehrgang. "Ein Kamerad aus der Jugendfeuerwehr geht auch dahin. Dann wären sie zu zweit ", sagt der Stadtwehrleiter. Und er gibt zu, dass schon ein Deutscher dafür lernen muss. Für Mustafa wird es also viel schwieriger. 

Aber der Iraker will es schaffen. Er kommt zu allen Dienstbesprechungen, wenn er auch nicht alles gleich auf Anhieb versteht. Matthias Franke vergleicht ihn mit den Jüngsten von der Jugendfeuerwehr. Die lernen auch alles von der Pike auf. Mustafa hilft sich mit Eselsbrücken. Denn 1:1 lassen sich die Fachbegriffe nicht immer übersetzen. Das TLF - so heißt das Tanklöschfahrzeug in der Fachsprache - ist also für ihn erst mal das große Auto und der MTW - der Mannschaftstransportwagen - das kleine Auto. Der Wehrleiter traut Mustafa zu, dass er es schafft. Weil er ehrgeizig ist. 

Am liebsten würde der 34-Jährige ein Feuerwehrauto fahren. "Im Irak war ich Baggerfahrer", sagt er. Aber als dort sein Haus zerbombt wurde, ist seine Fahrerlaubnis mit verbrannt. 2019 hat er seinen Führerschein in Deutschland noch einmal gemacht. Zumindest Pkw kann er wieder fahren. "Ich muss erst einmal für den Feuerwehr-Lehrgang lernen", sagt er. Später will er den Lkw-Führerschein machen. Seine Frau hat den dicken Aktenordner von der Feuerwehr zu Hause noch gar nicht gesehen. "Die würde wahrscheinlich mit dem Kopf schütteln", sagt er lachend. 

"Er muss es machen, wenn er mit zu den Einsätzen raus will", sagt sein Stadtwehrleiter. Mustafa Abdullah ist der erste Ausländer in der Ostritzer Feuerwehr. "Das ist kein Problem, wenn er seinen Wohnsitz im Ort hat. Auch die Konfession spielt dabei keine Rolle", berichtet Matthias Franke. "Ich bin gut von den Kameraden aufgenommen worden", erzählt Mustafa. Er versteht nicht alle Feste, zu denen sie ihn mit einladen. Aber er kommt gern, meint sein Wehrleiter. "Wie sollten wir ihm jetzt beispielsweise den Einsatz beim Hexenfeuer erklären", sagt er. Für den 34-Jährigen und seiner Familie ist das alles fremd. 

Seine Feuerwehrkleidung, seinen Helm und auch einen Spind zum Umziehen hat Mustafa Abdullah schon. Bei den Diensten im Depot macht er auch schon mit. Nun muss er nur noch den Lehrgang schaffen. Dann darf er auch mit ausrücken. "Und naja, einen Bagger würde er auch gern wieder fahren" meint er. 

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