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Mutige Frau auf dem Pferd

Pfarrer Martin Lehmann aus Schweinerden hat sich zum österlichen Brauchtum im Sorbenland Gedanken gemacht.:

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Es war Ostermorgen früh. Vom Schlaf erwacht, überlegte ich, weil es noch lange Zeit bis zum Gottesdienst war, ob ich weiter im Bett bleiben sollte, oder ob ich mich lieber nach Ostro begebe, um die Osterreiter zu sehen, die allein dort beim Aufgang der Sonne nach altem Brauch um die Felder reiten. Es war nasskaltes Wetter. Die Reiter kamen gerade in das Dorf. Sie waren noch nicht in der bekannten Bekleidung der Osterreiter und auf ihren Häuptern hatten sie unterschiedliche Hüte und Mützen. Da sagte auf einmal eine Frau, die nahe bei mir stand: „Schauen Sie, Herr Pfarrer, da reitet ein Mädchen!“ Als ich die Ostermesse feierte, erwähnte ich am Schluss meiner Predigt: „Eben war ich in Ostro bei den Osterreitern und habe eine junge Frau zu Pferde als Osterreiterin gesehen! Das hat mir gefallen! Vielleicht hat diese Frau schon vorweggenommen, was einmal ganz normal sein wird, dass Mädchen und Frauen Ostern in den Prozessionen mit reiten. Ich bin dafür!“ Anschließend habe ich nichts gehört, dass sich irgendwer über die junge, mutige Frau beschwerte.

Tage später sprach ich mit der Betroffenen über das Geschehene. Nach kurzem Hin und Her war ich überzeugt, hier handelte es sich nicht um eine zufällige Begebenheit. Das sympathische, sorbisch sprechende junge Mädchen war vielmehr eine selbstbewusste, selbst denkende und nach ihrer Überzeugung handelnde Frau. Unser Gespräch war hierauf intensiv und interessant. Ich war überrascht. Wie freute ich mich. Ohne Umschweife sagte ich ihr, dass ich ohne Wenn und Aber dafür bin, dass auch Frauen in der Osterreiterprozession mit reiten. Denn nichts spricht dagegen, es sei denn die Tradition. Gott sei Dank, unterdessen haben wir uns von vielen Gebräuchen und Sitten verabschiedet, welche einst allgemein und vielleicht sogar auch gut waren, aber welche die Zeiten längst überdauert haben. Heute haben wir Ministrantinnen, Lektorinnen und selbst Frauen reichen die Kommunion. Heute erachten wir es als selbstverständlich.

Jede Religion – besonders die christliche – will den Menschen befreien und erlösen und nicht im Guten beschränken und einengen. Um des Glaubens willen sollte sich niemand unfrei fühlen und in seiner positiven Entwicklung gebremst sehen. In mir wächst irgendwie die Hoffnung, dass sich auch in Zukunft mutige Mädchen und Frauen finden, die Ostern zu Pferd sitzen, dass es tolerante Pfarrer, Kantoren und Osterrreiter gibt, welche dieser Entwicklung zustimmen. Wie wäre es, beginnen wir bei den Firmungen. Dem Bischof entgegenreiten, ist kein liturgisches Ritual und warum sollten nicht auch Mädchen ihn begrüßen, die ebenso wie die Jungen das Kommen des heiligen Geistes erwarten.