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Mythos August der Starke

Eine Ausstellung auf Schloss Moritzburg feiert den 350. Geburtstag des Herrschers auf besondere Art und Weise.

Von Udo Lemke
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Selbst August der Starke und seine Lieblingsmätresse Gräfin Cosel scheinen von der Entwicklung eingeholt zu sein. Das hält Schloss Moritzburg aber nicht davon ab, den 350. Geburtstag des Kurfürsten und Königs von Polen mit einer Sonderschau zu feiern.
Selbst August der Starke und seine Lieblingsmätresse Gräfin Cosel scheinen von der Entwicklung eingeholt zu sein. Das hält Schloss Moritzburg aber nicht davon ab, den 350. Geburtstag des Kurfürsten und Königs von Polen mit einer Sonderschau zu feiern. © Norbert Millauer

Moritzburg. Der Wachmann hatte nicht mitbekommen, dass die Löwin schon da war, und als er ihr abends plötzlich gegenüber stand, war er zu Tode erschrocken. Schlossleiterin Dominique Fliegler erzählt von einer ungewöhnlichen Begegnung in einer ungewöhnlichen Ausstellung. 

Die Rede ist von "350 Jahre Mythos August der Starke - Geschichte. Macht. Ihr.“, die am Dienstag, dem 12. Mai, auf Schloss Moritzburg eröffnet wird - auf den Tag genau am 350. Geburtstag des sächsischen Kurfürsten und polnisch-litauischen Königs Friedrich August I. von Sachsen - genannt August der Starke.

Extra aus dem Naturkundemuseum Berlin geholt worden, veranschaulicht diese Löwin eine Facette der schillernden Figur August des Starken: Angeblich ist er von einer solchen Raubkatze genährt worden, was seine außergewöhnlichen Körperkräfte erklärt.
Extra aus dem Naturkundemuseum Berlin geholt worden, veranschaulicht diese Löwin eine Facette der schillernden Figur August des Starken: Angeblich ist er von einer solchen Raubkatze genährt worden, was seine außergewöhnlichen Körperkräfte erklärt. © Norbert Millauer

Die ausgestopfte Löwin sei extra aus dem Naturkundemuseum Berlin geholt worden, um eine Facette der schillernden Figur August des Starken zu veranschaulichen, sagt Dominique Fliegler. "Zu seinem Mythos gehört, dass er angeblich von einer Löwin genährt worden ist, was seine außergewöhnlichen Körperkräfte erklären sollte." 

Die werden gleich am Eingang der Sonderausstellung, im Steinsaal, thematisiert. Da gibt es einen flachen Kasten, in dem drei Hufeisen liegen. Zwei davon sind echt, eines ist viel leichter und lässt sich in der Mitte auseinanderreißen, wenn die beiden Magnete nachgeben. 

Hier soll nachvollziehbar werden, dass August der Starke angeblich Hufeisen verbiegen konnte. Die Besucher sollten das selbst ausprobieren können, doch wegen der aktuellen Krise ist der Hufeisenkasten mit einer Plexiglasscheibe abgedeckt. 

Auf dem Reifrock sind Hunderte Playmobilfiguren, sie stehen für die 365 Kinder, die August der Starke angeblich gezeugt haben soll. Unter dem Rock befinden sich die Porträts der neun Kinder, die der Kurfürst als die seinigen anerkannt hat.
Auf dem Reifrock sind Hunderte Playmobilfiguren, sie stehen für die 365 Kinder, die August der Starke angeblich gezeugt haben soll. Unter dem Rock befinden sich die Porträts der neun Kinder, die der Kurfürst als die seinigen anerkannt hat. © Norbert Millauer

Sinnfällig wird die Epidemie schon an der Fotowand, wo sich die Zuschauer als August der Starke und Gräfin Cosel ablichten hätten lassen können. Das ist nicht gewollt, darauf verweisen die Gesichtsmasken, die die beiden hohen Herrschaften jetzt gezwungen sind zu tragen. Corona hin, Corona her - Dominique Fliegler und ihre Mannschaft sind heilfroh, dass das Schloss endlich wieder offen ist und auch noch von Besuchern gefunden wird, wie die vergangene Woche zeigte.

Was das Konzept der Ausstellung betrifft - sie ist von Andre Thieme vom Schlösserland Sachsen und dem freischaffenden Historiker Matthias Donath erarbeitet worden - so folgt sie einem ungewöhnlichen Konzept. Das klingt schon im Titel an: "350 Jahre Mythos August der Starke - Geschichte. Macht. Ihr.“ 

Es gehe weniger darum, August den Starken als historische Figur wissenschaftlich darzustellen, sondern sein Weiterleben durch die Jahrhunderte in den Mythen, die sich um ihn ranken. Das heißt auch, dass die Ausstellung keine Antworten darauf liefert, ob er denn nun wirklich Hufeisen verbiegen konnte und ob er wirklich 365 Kinder gezeugt habe. 

Je höher der Sockel, desto tiefer der Fall - in einem Raum der Ausstellung sind die bekanntesten Mätressen Augusts des Starken versammelt. Hoch über allen thront die Gräfin Cosel.
Je höher der Sockel, desto tiefer der Fall - in einem Raum der Ausstellung sind die bekanntesten Mätressen Augusts des Starken versammelt. Hoch über allen thront die Gräfin Cosel. © Norbert Millauer

Letztgenannte Frage wird an einem schönen Ausstellungsobjekt veranschaulicht. Einer Schaufensterpuppe mit einem gewaltigen, durchsichtigen Reifrock, auf den lauter kleine Playmobilfiguren gedruckt sind, kann man denselben hochheben. Dann sind die Porträts der neun Kinder zu sehen, die August als die seinigen anerkannt hat.

Die von Antje Werner in Mitarbeit von Anja Maria Eisen gestaltete Schau holt die Besucher bei den ihnen vertrauten Wahrnehmungsmustern ab. Das heißt: Relativ wenig Text zu den Exponaten, dafür Comic und Zeichentrick, Bilder und plastische Gestaltungen.

 So etwa im Raum, der den Mätressen Augusts gewidmet ist. Als Büsten gestaltet, zeigt die Höhe der Sockel, auf denen sie ruhen, und die Anzahl der Striche an den Sockeln, wie lange sich der Herrscher mit ihnen abgegeben und wie bedeutend sie deshalb gewesen sind. Dass die Gräfin Cosel auf dem höchsten Sockel steht, ist bei ihrem tiefen Fall nur verdient. 

Schlossleiterin mit Kurfürst - Dominique Fliegler hofft, mit der Art und Weise, wie sich die Ausstellung August dem Starken nähert, gerade auch ein jüngeres Publikum anziehen zu können.
Schlossleiterin mit Kurfürst - Dominique Fliegler hofft, mit der Art und Weise, wie sich die Ausstellung August dem Starken nähert, gerade auch ein jüngeres Publikum anziehen zu können. © Norbert Millauer
Keine Fake news, sondern ein Fake-Hufeisen. Es lässt sich in der Mitte auseinanderbrechen, wenn die Magnete nachgeben. Es soll die außergewöhnlichen Körperkräfte  von August dem Starken veranschaulichen. 
Keine Fake news, sondern ein Fake-Hufeisen. Es lässt sich in der Mitte auseinanderbrechen, wenn die Magnete nachgeben. Es soll die außergewöhnlichen Körperkräfte  von August dem Starken veranschaulichen.  © Norbert Millauer
August der Starke war weit über die Grenzen Sachsens hinaus für seinen prunkvollen Hof bekannt. Mittels einer dieser Virtual-Reality-Brillen können Besucher in das Hochzeitsfest seines Sohnes mit der österreichischen Kaisertochter Josepha im Jahr 1719 eintauchen. 
August der Starke war weit über die Grenzen Sachsens hinaus für seinen prunkvollen Hof bekannt. Mittels einer dieser Virtual-Reality-Brillen können Besucher in das Hochzeitsfest seines Sohnes mit der österreichischen Kaisertochter Josepha im Jahr 1719 eintauchen.  © Norbert Millauer

Es gibt weitere hübsche Einfälle in der Sonderausstellung - die in die ständige Ausstellung integriert ist und durch die pinkfarbene Gestaltung zu erkennen ist - zu bestaunen. So etwa die Kapsel mit Augusts Herz. Von diesem hieß es, dass es wieder zu schlagen begonnen habe, wenn eine schöne Frau daran vorüberging. Wie groß das Herz des Kurfürsten war, können allerdings auch Männer erfahren. 

Und im Festsaal kann man auf einem Bord aufgereiht sehen, wozu August sonst noch so alles taugt(e). Da gibt es August der Starke Universalklebstoff, Schneekugeln und Räuchermänner, Kräuterlikör, mit 56 Prozent extra stark, und Zigaretten. Und wem das alles noch nicht genügt, der kann sich in der Schau den Kurfürsten im Film ansehen, nicht nur in "Sachsens Glanz und Preußens Gloria".

"350 Jahre Mythos August der Starke - Geschichte. Macht. Ihr.“, Schloss Moritzburg, täglich 10 bis 18 Uhr geöffnet.

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