Das katastrophale Ausmaß des Hochwassers offenbarte sich Roland Henkel erst gestern, nachdem der Elbpegel etwas gesunken war. Der Chef der Oberelbischen Verkehrsrgesellschaft Pirna-Sebnitz (OVPS) registrierte erschrocken, dass große Mengen Unrat vor dem Fähranleger in Pirna-Copitz schwammen. Die Last des Treibgutes drückte derart gegen den Steg, der mit vier Pontons in die Elbe ragt, dass es die Blechplattform aus der Verankerung hob. OVPS-Mitarbeiter versuchten gestern, den Anleger wieder auszurichten. Mit Motorsägen durchtrennten sie große Baumstämme, mit Stöcken angelten sie nach Unrat. Dabei fischten die Fährleute Tische, Sessel, Sofas und Schränke aus dem Gestrüpp. Auch ein zerfallener Kühlschrank trieb im Schlick. „Dieser Müll“, sagt Henkel, „richtet den eigentlichen Schaden an.“
Diese Situation ist derzeit typisch für den Flusslauf an der Oberelbe in der Sächsischen Schweiz. Nicht das Frühjahrshochwasser an sich bedrohte die Region, vielmehr machen den Elbanlieger-Gemeinden die großen Müllberge zu schaffen. Beobachter orteten dieses Mal ungewöhnlich viele Baumstämme sowie Geäst und Gras, das auf dem Fluss schwamm. Dazwischen trieben auch Reifen, Ölfässer, Waschmaschinen und Plasteflaschen.
Die Elbwiesen im Kurort Rathen gleichen derzeit einer großen Müllhalde. Der Fluss hinterließ viel Abfall. „Hier liegt noch reichlich Zeug herum“, sagt Bürgermeister Thomas Richter (parteilos). Er überlegt jetzt, ob er den Dreck provokativ über Ostern liegen lässt, um den Touristen die Schweinerei zu zeigen. „Da ist doch sicher viel grenzüberschreitendes Treibgut dabei“, vermutet Richter. Er wittert den Ursprung der Müllflut, jedenfalls eines Teiles davon, im Nachbarland.
Tschechische Behörden zeigen sich allerdings von den Unrat-Bergen überrascht. „Die Lage ist bei uns so wie bei Ihnen“, sagt Josef Cerny, Bürgermeister von Hrensko (Herrnskretschen). Im Gegensatz zu seinem Rathener Amtskollegen hat er noch keine Quelle für die Abfall-Flut ausgemacht. „Der Müll stammt nicht von uns“, sagt Cerny, „denn die Saison hat hier noch gar nicht begonnen, deshalb ist hier auch niemand, der Plastikflaschen wegwerfen könnte.“ Weniger über die Plastrückstände, wohl aber über ungewöhnlich viel Holztreibgut wundert sich Pavla Zajicova von der Wasserstraßenverwaltung in Usti nad Labem (Aussig). „Der gesamte Uferabschnitt vom Zufluss der Moldau bis zur deutschen Grenze“, sagt sie, „ ist doch nach dem Hochwasser 2002 bereinigt und gelichtet worden.“ Sie vermutet, dass das meiste Holz aus den oberen Elbzuflüssen stammt.
Nun versuchen die Elbanlieger eilig, noch vor Ostern den gröbsten Schmutz zu beseitigen. In Pirna reinigen Stadtgärtner Bereiche an der alten Brücke und am Elberadweg. In Bad Schandau bemüht sich der Bauhof um saubere Zustände. Um den Abfall aufzusammeln, schicken Wehlen und Rathen ABM-Leute an sensible Bereiche, die von Touristen besucht werden. Allerdings fehlen die ABM-Kräfte nun an anderer Stelle: „Da bleibt der Streusand vom Winter auf einigen Straßen liegen“, sagt Wehlens Bürgermeister Klaus Tittel (CDU), „weil ich niemanden habe, der ihn wegfegt.“
Noch ein anderes Problem bereitet den Gemeinden Kopfzerbrechen: In den Anlegern der Sächsischen Dampfschiffahrt haben sich Stämme, Äste und Gras verfangen. Thomas Richter schätzt, dass sich in Rathen rund 100 Kubikmeter Unrat vor dem Dampfer-Ponton stauen. Auch in Bad Schandau klemmt jede Menge Treibgut zwischen den Stegen. Vor Ostern kommt dieser Dreck jedoch nicht mehr weg – weil die Dampfschiffsaison noch nicht begonnen hat. „Wir beginnen am 29. März mit dem Aufräumen“, sagt Michael Lohnherr, Chef der Sächsischen Dampfschiffahrt, „das ist dann schnell erledigt.“ Auch das Landratsamt will in der nächsten Woche damit beginnen, die Elbwiesen zu reinigen. (SZ/mö/gsc/ahu)