Von Constanze Matthes
Aufgeregt sind sie nicht, die Kinder vom SC Riesa. Im Gegenteil. Fast routiniert fragt die achtjährige Isabel aus der Sektion Turnen: „Was habe ich denn heute für ein Schild? Ach so, Schweden. Das letzte Mal war es Litauen, und da musste ich sogar einen Handstand auf der Bühne machen.“
Während die 17 Mädchen und Jungen sich hinter der Bühne für den Einmarsch der Mannschaften mit den Schildern und Flaggen wappnen, schlägt sich nur wenige Meter entfernt Doreen Weisser dreimal an den Kopf. „Dreimal auf Holz. Ich bin abergläubisch“, verrät die Boogie-Woogie-Tänzerin aus Bayern. Mit ihrem Partner Fabian Schünke hofft sie auf einen Einzug in das Finale. Sie hopst nervös auf der Stelle herum. Ihr Gesicht ist schon geschminkt. Doch vom Kostüm ist unter dem schwarz-gelben Trainingsanzug nichts zu sehen. „Die Schweden sind stark. Wir haben für diese Weltmeisterschaft zwei Trainingswochen hinter uns. Aber eines ist sicher, wir tanzen für das Publikum, nicht für die Wertungsrichter“, erzählt sie.
Dieses wiederum steht noch vor den Toren und muss sich noch eine Weile gedulden. Deshalb lassen die Mitglieder der Jugendgruppe vom ASB Riesa noch fünf gerade sein. Mit einer Tüte Popcorn und etwas Limo stärken sie sich für ihren Einsatz. „Wir müssen aufpassen, dass die Zuschauer zu ihrem Platz im richtigen Block gehen“, erklärt die 16-jährige Nora Thielemann. Großen Rummel wird es trotz der 1 700 Gäste, die in die Erdgasarena strömen, dennoch nicht geben. „Heute Abend wird es ruhig sein. Beim Fußball war es schlimmer“, verrät Steffi Hantschmann. Pünktlich 19.30 Uhr erlischt das Licht. Die Fanfare ertönt. Turnierdirektor Michael Wendt begrüßt das Publikum: „Hallo Riesa, die Tanzsportstadt.“ Mit lautem Applaus werden die teilnehmenden Mannschaften willkommen geheißen. Das italienische und französische Team revanchieren sich dafür mit einem ersten Tänzchen. Die Erdgasarena reist an diesem Abend für gut vier Stunden Jahrzehnte zurück. In die Kultzeit, als der Petticoat modern war und die Schmalztolle besonders glänzend. Mit dem mitreißenden Boogie-Woogie und dem atemberaubenden Rock’n’ Roll aus akrobatischen Figuren wie dem Einfachen Taucher – auch Todessturz genannt – sowie der Schulterkugel kehrten die 50er und 60er Jahre zurück.
Für den einen wurde der Viervierteltakt und die synkopierten Rhythmen allerdings fast zur Qual. Das Tanzfieber riss mit, doch die Bühne war nur für die Weltelite bestimmt. Zum Leidwesen zahlreicher Freizeittänzer. „Es ist super hier. Eines ist jedoch miserabel und muss ich bemängeln. Mit diesem Schuhwerk kann ich nicht mittanzen“, scherzt Tilo Schmidt aus Röderau und zeigt auf seine braunen Sandalen. Claudia Schumann aus Lommatzsch hat es dagegen der Rock’n’ Roll angetan. „Die Musik ist klasse. Und ich staune immer wieder über die Akrobatik und den Mut, den die Tänzer beweisen.“ Vielleicht wurde die Courage der Athleten auch angeheizt von mitgereisten Fans und Freunden. Diese feuerten auf französisch, deutsch oder norwegisch ihre Lieblinge an.
Und mit der Unterstützung des Publikums gab es für Doreen Weisser trotz ihrer anfänglichen Nervosität ein richtiges Happy End. Mit drei charmanten Vorstellungen gewann sie mit Tanzpartner Fabian Schünke die Silbermedaille.