SZ +
Merken

Neurologe gibt Medizinzentrum auf

Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin wegen Abrechnungsbetrugs gegen Lutz Lohse. Für die Patienten des Nervenarztes könnte es eine Lösung geben.

Teilen
Folgen
© André Wirsig

Von Juliane Richter

Der Dresdner Neurologe Dr. Lutz Lohse gibt große Teile seines Imperiums auf. Seit Mitte der 2000er-Jahre betreibt er in Dresden das Neurologisch-Medizinische Versorgungszentrum (NMVZ). In den fünf verschiedenen Häusern in Dresden und Umgebung bieten er und die von ihm engagierten Ärzte ein breites medizinisches Spektrum. Neben neurologischen Behandlungen sind das unter anderem auch Allgemeinmedizin, Augenheilkunde und Radiologie. „Kurzfristig MRT- und CT-Termine zu vergeben“, war noch Anfang des Jahres auf der Homepage des NMVZ zu lesen. Doch mittlerweile ist die Seite vom Netz – wegen Wartungsarbeiten.

Laut Sächsischer Landesärztekammer hat der Arzt mit Schreiben vom 7. Mai darüber informiert, dass das NMVZ Dresden „seine privat- und vertragsärztliche Tätigkeit mit Wirkung zum 31. Mai 2014 beendet“. Aber Lohse plane offenbar, seine ärztliche Tätigkeit in eingeschränkter Form, etwa einer Einzelpraxis, fortzusetzen.

Verschlossene Türen am Hauptsitz

Viele Patienten des NMVZ befinden sich derzeit in einem Schwebezustand. Wer von ihnen den Hauptsitz an der Overbeckstraße 33 betritt, findet nur die verschlossene Tür zur Rezeption vor. Drei angeklebte A4-Zettel weisen darauf hin, dass Anmeldung und Radiologie vorübergehend geschlossen sind. Bei Fragen solle man sich an die Kollegen in der Fetscherstraße 29 wenden. Die Telefonhotline ist überlastet. Das minutenlange Warten wird von klassischer Musik begleitet. Die Radiologieabteilung sei geschlossen, sagt schließlich eine Mitarbeiterin. Termine für eine Hausärztin, die zum NMVZ-Team in der Fetscherstraße gehört, werden jedoch auch noch für Juni vergeben. Dr. Lutz Lohse selbst reagiert auf die Anfrage der Sächsischen Zeitung nicht.

Wiederholt war der 45-Jährige in den Medien. Zuletzt Anfang 2012, als das Landeskriminalamt bei einer Razzia mit 100 Beamten und 40 Polizisten neben dem Hauptsitz in der Overbeckstraße auch fünf damalige Zweigstellen in Dresden, Radebeul, Arnsdorf und Löbau sowie zwei Wohnungen – darunter die von Lohse selbst – durchsuchte. Ihm und seiner 34-jährigen Frau Carmen wirft die Staatsanwaltschaft Dresden Abrechnungsbetrug vor. Laut Sprecher Lorenz Haase dauern die Untersuchungen noch an. Gerüchte aus Medizinerkreisen, Lohse habe sich bereits ins Ausland abgesetzt, kann er nicht bestätigen. „Bisher hat sich Herr Lohse dem Verfahren gestellt. Wir gehen davon aus, dass er das auch in Zukunft tun wird“, sagt Haase.

Die Anzeige wegen des Abrechnungsbetrugs hatte die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen schon im November 2010 erstattet. Deren Vorsitzender Dr. Klaus Heckemann geht davon aus, dass im NMVZ über einen längeren Zeitraum etwa zwei Millionen Euro zu viel abgerechnet wurden. Zudem hätten Patienten ihre Rezepte für Nachfolgetherapien nur bei den hauseigenen Physio- und Ergotherapeuten wahrnehmen können (die SZ berichtete). Aufgrund dieser Ermittlungen hatte Heckemann eigentlich den Entzug sämtlicher Zulassungen am NMVZ beantragt. Dem sei bisher durch den Zulassungsausschuss jedoch nicht nachgekommen worden.

Dr. Lohse habe wiederum kurz zuvor beantragt, dass er die einst erworbenen Zulassungen an die bisher für ihn tätigen Ärzte übertragen kann. Diese könnten somit die einzelnen Praxen weiterführen und demzufolge auch die Weiterversorgung der Patienten sichern. Auf Nachfrage teilt Katrin Schulze, Vorsitzende des Zulassungsausschusses der Ärzte Dresden, jedoch mit, dass über offene Antragsverfahren keine Auskunft erteilt wird. Erst wenn Entscheidungen Rechtskraft erlangt haben, werde darüber berichtet. Das Verfahren ist somit noch im Fluss und die Zukunft der Praxen bisher ungeklärt.

Klar ist hingegen, dass Lutz Lohse nach wie vor als Arzt praktizieren darf. So erklärt die zuständige Landesdirektion, dass er seine Approbation seit 1998 innehat, sie ihm nicht entzogen worden ist und auch kein derartiges Verfahren läuft.

Den Rückzug aus dem medizinischen Bereich scheint er dennoch geordnet anzutreten. Planungen, eine neuropsychiatrische Klinik bei Freital aufzubauen, liegen offenbar auf Eis. Zumindest ist Lohse aus der eigens zu diesem Zweck gegründeten Gesellschaft vor Kurzem ausgestiegen. Die zudem umbenannte Gesellschaft will sich nun dem Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft und eines Beherbergungsbetriebs widmen.