Die Bewohner der Großteichstraße in Deutschbaselitz fiebern jetzt jeden Tag. Und Klaus Rose und Beate Jannasch rennen schneller als sonst zum Briefkasten: Sie alle sind Teilnehmer am bundesweiten Wettbewerb „Nette Nachbarn gesucht“ und erwarten eine Nachricht aus Hamburg. Dort tagte am 18. September eine Jury, um Sieger und Platzierte zu küren. „So richtig rechnen wir uns nichts aus, bei 220 Bewerbern“, spielt Beate Jannasch die Geschichte herunter. Mit Klaus Rose zeichnete sie für eine umfangreiche Bewerbungsmappe verantwortlich.
Gemeinsam geht’s besser
Sie enthält wohl überzeugende Argumente, aber man weiß ja nicht, wie gut andere Nachbargemeinschaften sind. Im Frühsommer hatten sie alles eingereicht – nach der Zuarbeit zahlreicher Mitbewohner. „Wir machen schon immer vieles zusammen“, erklärt Klaus Rose. Begonnen hatte alles im Jahr 1983 – mit dem Buddeln für das eigene Heim – sechs Stück in Reihe (siehe Kasten). „Wir waren alle jung verheiratet, kamen meist aus dem Dorf und der Umgebung und wollten bauen. Auf dem Dorf hat das Tradition“, erinnert er sich. Scheu vor so einem Großprojekt, man bedenke nur die Materialfrage in den 80er Jahren, hatte niemand. Längst wussten sie alle, dass es gemeinsam besser geht und nur Beziehungen dem schaden, der keine hat. Rose steuerte damals den gelernten Schlosser bei, andere waren Bauleiter, Stahlbauer und Maurer. „Die Berufe stimmten, und auch die Chemie. Wir Jungs und Mädels kannten uns doch. Vom Fußball, vom Tanz. Mit dem Bauen wuchsen Freundschaft und Gemeinschaft“, sagt Rose. Seine Ehefrau Kerstin nickt. Übrigens, Klaus Rose hat weiter gelernt und ist heute als Dachdecker tätig.
Am 2. September dieses Jahres stieg die Jubiläumsfete; denn im Sommer 1986 waren die sechs Familien eingezogen. Mit einem rauschenden Fest zuvor, steht in der besagten Bewerbung. Es kam mehr spontan als geplant zustande. Trotzdem sollte es eine Tradition begründen. „Wir grillten am 30. April 1986 zwischen großen Erdhaufen die Würste, tranken Bier, Wein, Schnaps oder Selters. Nach drei Jahren Bauen war das fällig“, erzählt Beate Jannasch. Es ist zur größten Feierlichkeit geworden, heißt heute „Angrillen zum Hexenfeuer“ und geht über zwei Tage.
Senf gibt es beim Nachbarn
Heute gehören weitere 50 Personen zu den netten Nachbarn. Die eigenen Kinder sind natürlich hinzugekommen, neue Eigenheimbesitzer und die Bürger aus den älteren Häusern. Irgendwann waren nach der Wende auch hier Um- und Ausbau beziehungsweise Modernisierung angesagt. Wieder halfen die Bewohner von nebenan. „Das ergab sich alles nach und nach. Auch die Aktivitäten das ganze Jahr über entwickelten sich so, wie Fasching bei Kleditsch’s, Sport zu Pfingsten, Spaghettiessen im Herbst und Silvesterfeier. Einen richtigen Plan haben wir bis heute nicht, dafür aber immer neue Ideen“, freut sich Kerstin Rose. Man nutze auch ganz bewusst die Dorfveranstaltungen, wie Adlerschießen, Sportwettbewerbe und Wanderungen. Bestimmte Daten, wie Geburtstag und Hochzeitstage, ständen ohnehin fest.
Deshalb darf man hier Senf, Zucker oder Eier schon mal beim Einkaufen vergessen – die Nachbarn haben alles. Die Spezialisten sind, ganz klar, für alle da, wie beispielsweise Bernd Kleditsch. Mit seinen goldenen Händen bringt er alte Technik wieder in Gang oder Beulen aus der Karosse heraus. Dass Dachumdecken in Nachbarschaftshilfe unter der Regie von Klaus Rose problemlos über die Bühne geht, ist selbstverständlich.
Hans wird 66 Jahre alt
Warum bleiben die Nachbarn über so viele Jahre so nett zueinander? Beate Jannasch meint, dass es das ehrliche und offene Miteinanderreden sei. „Unsere Kinder haben sich auch gut verstanden.“ „Wir sind immer menschlich miteinander umgegangen“, antwortet Kerstin Rose. Und gibt’s diese Woche etwas zu feiern? „Klar, der Hans wird 66.“ Er ist Roses unmittelbarer Nachbar. 62 Gäste wird’s nicht geben, aber wohl das Kultlied von Udo Jürgens in der Großteichstraße erklingen. Und vielleicht kommt gerade an diesem Tag eine gute Nachricht von der Waterkant.Auf ein Wort