Von Gabriele Schrul
Weesenstein putzte sich am Sonnabend heraus. Überall im Ort hingen Girlanden, Wimpelketten und Luftballons. Und auch die Weesensteiner selbst hatten sich schick gemacht – für den großen Festumzug. Schließlich gab es etwas zu feiern. An alter Stelle wurde die neue Brücke an der Schulstraße für den Verkehr frei gegeben. Für die Weesensteiner ist sie ein ganz besonderes Bauwerk. Denn ihr Wiederaufbau steht symbolisch für die schlimmen Wunden, die die Müglitz-Flut exakt vor vier Jahren vor allem im Gebiet der Schulstraße schlug.
Eigentlich gibt es die Brücke bereits seit dem Herbst 2005. Doch die Bauarbeiten entlang der Müglitz waren noch längst nicht fertig. Damit stand für die Weesensteiner von Anfang an fest: Die Brücke wird später und vor allem mit einem großen Fest eingeweiht. Unvergesslich für alle sollte es werden. Das hatten sich ein paar unermüdliche Weesensteiner, allen voran Roswitha Rehwald, fest vorgenommen. Und als genau da, wo sich bis zur Flut die Kleingartensparte am Ortseingang befand, das große Freudenfeuer entfacht wurde und sich der über 40 Bilder umfassende Festumzug formierte, da nahm das Fest seinen Lauf. „Ist es nicht schön“, sagt Roswitha Rehwald angesichts der vielen Menschen, die gekommen waren. Wer den bunten Festumzug vor Augen hatte, der sah: Die Weesensteiner haben das Lachen nicht verlernt, auch wenn keiner die schlimmen Geschehnisse vor vier Jahren vergessen kann, so sehr er sich das manchmal auch wünscht. Wenn heute zum Beispiel Familie Mathews in ihrem Garten sitzt, dann ist ein Stück weit Normalität wieder eingezogen. Dabei war nach der Flut von der Kleingartensparte mit ihren gut 60 Parzellen nichts mehr übrig geblieben. Nur die kleine Laube im Garten von Uwe Mathews blieb standhaft, trotzte den Fluten. Und sie steht immer noch. Die jungen wie die alten Mathews haben es geschafft. Ihre Gärten wollten sie auf keinen Fall aufgeben, und jetzt grünt und blüht es hier grad so, als hätte es nie eine Flut gegeben. „Ich schaue nach vorn und lasse das Vergangene ruhen“, sagt Manfred Mathews. Seine Enkel Tom und Dennis toben durch den Garten. „Hier ist alles viel schöner geworden“, sagt Tom. Indes greift Vater Uwe zum Festumzugsschild. Darauf steht: Kleingartensparte Weesenstein. Sie lebt – im Mathewsschen Sinne.
An der Brücke angekommen, drängen sich die Festumzügler, Gäste, vor allem auch Fluthelfer von einst, dicht an dicht. Und Bürgermeister Jörg Glöckner (CDU) macht das, worauf jeder in der Runde wartet. Er schneidet das Band durch. Neben ihm steht Helmut Berthold, der Weesensteiner Pfarrer im Un-Ruhestand. Als Sankt Burkhard im braunen Mönchsgewand hält er eine große Kapsel in den Händen, die vieles von dem enthält, was die Flutzeit all die Jahre prägte: Baupläne, Fotos, Augenzeugenberichte. Das Behältnis mit Inschrift wird einen passenden Platz entlang der derzeit entstehenden Allee an der sanierten Müglitzmauer finden, verkündete er.
Dann ging es weiter ans Werk. Ein kleiner Esel der Schlossbrauerei Weesenstein wurde von den jüngsten Festbesuchern umringt. Er sollte an diesem besonderen Tag getauft werden. Geduldig ließ er auch die Tauf-Zeremonie mit Schlossbräu-Schaum über sich ergehen. Burkhard von und zur Brücke heißt er fortan. König Johann, im wahren Leben Lutz Hennig, Kustos auf Schloss Weesenstein, erhob ihn in den Adelsstand.
Weesensteiner pflanzt Eiche
Wenige Minuten später pflanzte Volkmar Thamerus ein von ihm selbst herangezogenes Eichenbäumchen genau da, wo noch bis zum 12. August 2002 ein Sechsfamilien-Wohnhaus stand. Die Flut löschte von einer Stunde auf die andere große Teile des Weesensteiner Ortskerns aus – neben weiteren sieben Wohnhäusern auch jenes in der Altenberger Straße 17. Hier wohnte einst auch Volkmar Thamerus. Inzwischen hat er in Weesenstein ein neues Zuhause. „Ich wollte hier unbedingt bleiben“, sagt er. Da sind seine Wurzeln. Jene des Eichenwinzlings müssen erst noch fest im planierten Erdreich der einstigen Hausnummer 17 greifen. „Das wird schon“, zeigt sich Klaus Täubner zuversichtlich. Einst Fluthelfer in Weesenstein, freut er sich mit allen an diesem Tag und verschwindet im großen Festzelt unterhalb des Schlossfelsens.