Von Sebastian Beutler
Ein bisschen aufgeregt, na klar, das ist sie schon. Schließlich empfindet es Cornelia Effenberger als eine Ehre und etwas Besonderes, heute Nachmittag zum ersten Mal als Stadträtin im Großen Saal des Rathauses Platz zu nehmen. Wie ihr geht es knapp zwei Handvoll der Gewählten. Bei der Stadtratswahl Ende Mai erhielt die Chefin zweier Frisörsalons über 1 000 Stimmen. Seitdem sind sieben Wochen vergangen. Die neuen und alten CDU-Stadträte haben sich am Montag getroffen, eine neue Fraktionsspitze gewählt und sich auf die Mitglieder von Ausschüssen verständigt. Deren Wahl steht heute im Mittelpunkt der Sitzung des Stadtrates. Inhaltlich geht es erst nach der Sommerpause weiter. Tatsächlich droht dann gleich eine Sondersitzung des Stadtrates. Denn im Moment gibt es, so teilte Oberbürgermeister Siegfried Deinege den Stadträten mit, keine gültige Geschäftsordnung des Stadtrates. Damit können sich auch keine Fraktionen bilden. Zwar haben das die drei Großen getan, also CDU, Bürger für Görlitz/Bündnisgrüne/Piraten und die Linkspartei. Auch haben sie jeweils einen Fraktionsvorsitzenden gewählt, doch nach der Sondersitzung im September werden sie das noch einmal tun. Dann geht es auch noch mal um die Größe der Fraktionen. Im Moment wird von vier Mitgliedern ausgegangen, die eine Fraktion haben muss, doch ist das in der Geschäftsordnung nicht festgelegt. Würde der Rat diese Hürde beispielsweise auf drei senken, dann könnten auch Zur Sache sowie SPD/FDP eine Fraktion bilden. Doch das ist Zukunftsmusik. Die Parteien und Wählervereinigungen haben die vergangenen Wochen genutzt, um das Wahlergebnis zu verdauen und sich teilweise auch neu zu formieren. Die Piraten sprachen sich für eine enge Zusammenarbeit mit den Bürgern für Görlitz und den Bündnisgrünen aus. Ihre Stadträtin, Carolin Mahn-Gauseweg, bildet mit den beiden anderen Partnern eine Fraktion. Bei der Wahl der Fraktionsspitze kam es jedoch zum Eklat. Wolfgang Freudenberg (Bürger für Görlitz) reagierte auf seine Nicht-Wahl als Fraktions-Vize so verärgert, dass er fast die Fraktion verlassen hätte. Am Ende lösten die Bürger das Problem. Freudenberg bleibt bei ihnen.
Die CDU verhandelte eine Zeitlang mit SPD und FDP, um die drei Stadträte in die Fraktion zu integrieren. Immerhin bildeten CDU und FDP in den vergangenen fünf Jahren eine Fraktion. Doch galt das Bündnis zuletzt als nicht mehr belastbar. Der Görlitzer CDU-Chef Octavian Ursu kritisierte FDP-Rätin Kristin Schütz auch schon mal öffentlich vor laufenden Kameras. So gehen nun Sozialdemokraten und Liberalen einen Weg, den es seit 1990 in der Görlitzer Lokalpolitik noch nicht gegeben hat. Sie gründeten eine Gruppe und wollen gemeinsame Politik machen. Tatsächlich teilen beide Partner gemeinsame Ansichten: Sie sehen die Pläne für ein Jugendzentrum skeptisch und halten die Finanzpolitik Deineges und der Mehrheit im Rat für kritikwürdig. Obwohl es mit den Partnern nicht geklappt hat, bleibt die Görlitzer CDU stärkste Fraktion im Rat. Die Christdemokraten wollen auch in den nächsten fünf Jahren am Görlitzer Bündnis mit der Bürgerfraktion festhalten, um „bei wichtigen Entscheidungen für verlässliche Mehrheiten im Stadtrat zu sorgen“. Dabei soll eine Prioritätenliste erstellt werden. Wie die aussieht, steht noch nicht fest. Möglicherweise aber gibt eine Personalentscheidung einen Hinweis auf Künftiges: Unternehmer Helmut Goltz ist einer der stellvertretenden Vorsitzenden in der neuen CDU-Fraktion. Wirtschaftsthemen könnten dadurch an Gewicht gewinnen.
Wenn es um die Einzelhändler, den Mittelstand und die kleinen Gewerbetreibenden geht, will das auch Cornelia Effenberger. Einheitliche Öffnungszeiten, Parkplätze und der Laden-Mix in der Innenstadt – all das sind Themen, die ihr auf dem Herzen liegen und wo sie eigene Erfahrungen einbringen kann. Dafür will sie Mitstreiter finden und Mehrheiten. Damit sie das Vertrauen ihrer Wähler rechtfertigt.
Stadtratssitzung ab 16.15 Uhr, Rathaus.